Statement Johannes Bilharz zum SRT-Verkaufsstop

Die vergangene Woche endete mit einem Paukenschlag: Verkauf und Verwendung der SRT-Geräte Rope Wrench, Rope Runner, Unicender und Hitch Hiker wurden untersagt. Klar, dass dies zu einigen Diskussionen führt, aber auch Fragen aufwirft. Unser Geschäftsführer Johannes Bilharz hat die Hintergründe zusammengefasst und zu den Fragen Stellung bezogen.

Liebe Kundinnen und Kunden,
liebe Baumklettererinnen und Baumkletterer,

Das Gewerbeaufsichtsamt hat Freeworker klar und deutlich darauf hingewiesen, dass der Verkauf und die Nutzung bestimmter SRT-Produkte laut europäischer und nationaler Gesetzgebung nicht erlaubt sind. Wir sind deshalb aufgefordert, den Verkauf einzustellen. Die Gewerbeaufsicht wurde tätig, weil sie von der SVLFG darauf hingewiesen wurde. Wahrscheinlich hat die Berufsgenossenschaft bei der Gewerbeaufsicht Anzeige erstattet oder darauf gedrängt, tätig zu werden.

Vom Verbot betroffene Geräte

Produkt Hersteller Bild
Rope Wrench I.S.C. Rope Wrench
Rope Runner 1 Singing Tree Rope Runner
Rope Runner 2 Rock Exotica  
Unicender Rock Exotica  
Hitch Hiker Rope Tec Hitch Hiker

Bei der Frage der Verwendung ist es unerheblich, ob die Geräte überall auf der Welt verwendet werden. Es ist egal ob es damit Unfälle gegeben hat oder nicht, oder welche tollen Sachen damit möglich sind. Es geht ausschließlich um die fehlende Zulassung der Geräte, weshalb Verkauf und Nutzung untersagt wird.

Das Schreiben der Gewerbeaufsicht weißt uns bei Zuwiderhandlung auf „mögliche kostenpflichtige Maßnahmen“ hin. Ich interpretiere das so: Wenn wir nicht handeln, dann gibt es eine Strafanzeige oder ein Strafverfahren und es wird teuer.

Wir handeln, wir sind schließlich Händler! (Scherz)

Hintergründe

Die Gewerbeaufsicht hat mir die Sache folgendermaßen erklärt: Wenn ich ein Auto aus den USA in Deutschland verkaufen möchte, muss es nach europäischen Sicherheitsstandards zugelassen sein (umgekehrt genauso). Es darf sonst nicht verkauft und auch nicht auf der Straße gefahren werden. Ob die USA die Sicherheit des Autos anerkennt, spielt dabei keine Rolle. Was sicher ist, entscheidet jedes Land oder jede Union für sich. Es geht also nicht darum, wer Recht hat. Es geht vielmehr darum, für welche Art der Sicherheit sich eine Gemeinschaft entschieden hat. Das ist sicherlich verständlich und vernünftig und dient dem Schutz vor Willkür. Denn wie man zum Beispiel an vielen chinesischen Plagiaten sieht, haben andere Länder sehr kuriose Vorstellungen von Sicherheit. Auch Händler stehen in der Versuchung, nur den Profit zu sehen und es mit der Sicherheit nicht so genau zu nehmen. Das geht dann schnell in Richtung Mafia und Schwarzmarkt. Davon distanzieren wir uns als Händler ausdrücklich.

Der Händler haftet

Bevor ein Händler ein neues Produkt einführt und verkauft, muss er prüfen, ob das Produkt für die Verwendung zugelassen ist. Der Händler wird dafür haftbar gemacht. Als Händler fordert mich das, für Kunden ist es ein Schutz. Wie man jetzt sieht, kann es auch eine Bevormundung sein. Der Kunde ist von der Sicherheit überzeugt und will es, bekommt es aber nicht.

Der Arbeitgeber haftet

Es geht aber noch weiter. Nicht nur der Händler wird in die Verantwortung genommen, sondern auch der Arbeitgeber. Dieser hat nach deutschem Recht dafür zu sorgen, PSA zur Verfügung zu stellen, wo sie gebraucht wird. Er darf einem Mitarbeiter nur dafür zugelassene PSA geben. Ansonsten macht er sich strafbar. Und das ist kein Scherz, wie mir die Gewerbeaufsicht erklärt hat. Auch die Berufsgenossenschaft wird deutlich: Bei Unfall mit dem RopeWrench lehnt die Berufsgenossenschaft die Versicherungsleistung ab! Zudem wird dem Arbeitgeber der Prozess gemacht.

Aua! So was kann nicht nur teuer werden, sondern die Existenz des Unternehmens gefährden. Die Versicherungsleistung kann bei grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden. Die Weitergabe von nicht zugelassener PSA an Mitarbeiter scheint wohl so eingestuft zu werden, sonst würde die Berufsgenossenschaft das nicht so deutlich formulieren. Und noch schlimmer: Bei grober Fahrlässigkeit, haftet der Unternehmer auch persönlich. Da hilft auch keine GmbH mit beschränkter Haftung.

Fortschritt

Ich bin der Meinung, dass es für Fortschritt mutige Visionäre bedarf. Nur diese begeben sich auf unbekanntes Terrain, ohne die Gefahren genau zu kennen. Leider sind sie nur dann Helden, wenn der Ausflug gut geht. Ansonsten stehen sie schnell im Abseits und gelten als Versager. Das ist das Risiko. Keiner kann letztlich sagen, was Gerichte im Einzelfall entscheiden und wie hoch die Strafen sein werden. Wer jetzt weiter macht, der macht dies auf eigenes Risiko und ohne doppelten Boden.

Verwendung nicht zugelassener PSA-Geräte

Zu unserem Facebook-Post las ich einen Kommentar mit dem Hinweis, es gäbe kein sichereres Verfahren als das SRT-Klettern mit dem RopeWrench. Deshalb werde die Technik weiterhin eingesetzt. Die Einschätzung als sicherstes Verfahren ist sicherlich etwas überzogen. Nie ist eine Sache allgemein sicher, sondern immer nur in Bezug auf konkrete Situationen. Dahinter steckt jedoch ein Gedanke, den ich bisher auch vertrat: Wenn ich eine Sache für sicher halte und es gute Gründe für deren Einsatz gibt, kann ich Geräte auch ohne Norm einsetzen. Die Gründe muss ich aber in einer Gefährdungsermittlung oder Betriebsanweisung deutlich aufführen. Auch muss ich alles mir Mögliche unternehmen, die Sicherheit zu prüfen und die Leute ein- und anweisen.

Ob das vor Gericht Stand hält, ist eine heiße Angelegenheit. Das Gericht wird sich unter anderem fragen: Welche Prüfungen und Gründe liegen der Einschätzung zu Grunde? Gib es zugelassene Alternativen? Statt der SRT gäbe es die Alternative der Doppelseiltechnik, sowie des Einsatzes des I’Ds oder vergleichbarer Geräte. Für SRT-Fans sicherlich keine Alternative. Ob Ergonomie, Schnelligkeit und die anderen Vorteile ausreichen, das Gericht zu überzeugen?

Warum fährt die Berufsgenossenschaft jetzt die harte Linie?

Eigentlich muss das die Berufsgenossenschaft (SVLFG) selbst beantworten. Ich kann es mir denken und ich kann es der Berufsgenossenschaft nicht verdenken. Zum Verständnis: der Berufsgenossenschaft geht es sicherlich nicht darum, den Einsatz des beliebten Rope Wrench oder das SRT-Verfahren zu verbieten. Die Berufsgenossenschaft besteht lediglich auf die Einhaltung der Gesetze. Und diese regeln klar, dass Hersteller ihre Geräte nach PSA-Norm zulassen müssen. Wenn ich es richtig verstanden habe, würde die Berufsgenossenschaft die Hersteller dabei durch Beratung unterstützen. Es gab deshalb auf den Deutschen Baumpflegetagen 2016 ein Treffen von Kletterern, Händlern, der Berufgenossenschaft und Vertretern des Herstellers. Dort hat der Hersteller zugesichert, für eine Zertifizierung zu sorgen (korrigiert mich, wenn es anders war). Seither ist wohl wenig passiert und Anfragen der Berufsgenossenschaft werden laut eigener Aussage nicht beantwortet.

Das Ende für SRT sowie RopeWrench und Co.?

SRT heißt „Single Rope Technique“ (zu Deutsch: Einseiltechnik oder Einzelstrang-Technik). SRT gibt es schon lang (Industrie) und wird es auch weiterhin geben. Die Hersteller sind aber gesetzlich aufgefordert, die Geräte nach Europäischer Richtlinie prüfen zu lassen. Es gibt leider keine spezielle Norm für die Anwendung. Das ist die Schwierigkeit dabei. Es macht eine Normierung deshalb noch lange nicht unmöglich. Für viele Neuheiten gibt es keine Standardnorm. Deshalb gibt es die sinnvolle Möglichkeit, Geräte „in Anlehnung“ an Normen zu prüfen. Dabei wird die spezielle Verwendung ins Visier genommen und geprüft. Natürlich ist das aufwändiger, weil erst ein Prüfverfahren erdacht und in der Bedienungsanleitung genau beschrieben werden muss. Das ist und bleibt das Problem von Pionieren und Innovationen. Es ist eine Hürde, die aber nicht unüberwindbar ist.

Fazit

Wir hoffen auf den Hersteller ISC. Mit der Rope Wrench (und den anderen SRT-Geräten) wird es definitiv weitergehen, sobald eine Zertifizierung erfolgt ist. Der Verkaufsstopp scheint dabei eine positive Wirkung zu entfalten. ISC hat im Gespräch bereits angedeutet, fieberhaft auf eine Zertifizierung hin zu arbeiten. Weitere Informationen und Lösungsansätze sollen zeitnah präsentiert werden.

Nicht zuletzt wäre jetzt die Zeit für die einschlägigen Berufsverbände, das Heft in die Hand zu nehmen und sich für ihre Mitglieder stark zu machen. Liebe Verbände, jetzt könnt Ihr Euch „profilieren“! Jetzt könnt ihr die Vorteile eines Zusammenschlusses aufzeigen und darstellen, warum es sinnvoll ist, einen Berufsverband zu haben!

5 Replies to “Statement Johannes Bilharz zum SRT-Verkaufsstop”

  1. So so, is ja unglaublich !
    So ein Rope Wrench ist jetzt in Deutschland durch das Fehlen so einer Normung also quasi illegaler, als z.B. eine großkalibrige Schusswaffe (mit ´nem Waffenschein natürlich) !?!
    Das muss man sich mal vor Augen halten !

    Zu der Sicherheit von unseren Klettertechniken:
    Die Sicherheit einer Klettertechnik liegt letztendlich immer in der Fachkompetenz von den (zertifizierten !!) Kletterern. Berufskletterer haben nicht umsonst anspruchsvolle Lehrgänge und Prüfungen absolviert !
    Als ich meinen SKT-A Kurs besuchte, habe ich nicht schlecht gestaunt, dass man einen Klemmknoten auch als “Rutschknoten“ benutzen kann (lange Prusikklemmknotenschlinge).
    Und das gilt weiterhin als sichere Klettertechnik ?!
    Aber wenn ich da so einen Rollhebel (nach dem Prinzip “Hieblerklemme“ – Sie erinnern sich noch – Pit Schubert ´Moderne Felstechnik`) darüber setze und damit am Einfachseil klettern kann, ist es auf einmal nicht mehr sicher ??

    Und was die Sicherheit von der SRT und vor allen Dingen die Praxis bezogene Anwendungsmöglichkeiten angeht, halte ich diese SRT für genial.
    Weil, man hat einmal den Vorteil der direkten Höhengewinnung beim Aufstieg (eben Einseiltechnik), und hat außerdem – durch den Rope Wrench – die Vorteile eines “Rutschknotens“ wie bei diesem sog. umlaufenden Seilsystem ! Und man kann, mitunter besonders nützlich, richtige Zwischenverankerungen bauen – wie beispielsweise in der Höhlenkletterei.
    Ich finde auch darin einen gewissen Sicherheitsgewinn.
    Das erfordert natürlich schon auch eine gewisse Kompetenz und Übung bei dem Anwender.
    Aber – wie gesagt – dafür sind wir ja auch ausgebildet und sogar zertifiziert !
    Und solche Verbote untergraben und missachten unsere Berufskompetenz !!

    Und einen Unfall mit einem Rope Wrench – wenn der Kletterer sich das Seil durchgeschnitten hat oder sein Ankerast gebrochen ist, oder, oder … zahlt die Versicherung nicht ?
    Das wäre eher unlauteres Versicherungsgewerbe, wie ich finde !

    Apropos Hieblerklemme !
    Die müsste auf jeden Fall noch eine Normierung haben !!
    Vielleicht könnte die Firma da irgendwie … den Rope Wrensch mit der Hieblerklemme definieren !?

    1. Danke für die Unterstützung mit Argumenten. Sie sind allen
      hinreichend bekannt. Vielleicht hilft die Menge der Einwände,
      etwas am Zertifizierungsprozess zu beschleunigen.

  2. Moin,
    was ist denn mit Abseilachtern diese haben auch keine CE Kennzeichnung und finden sich an fast jedem Klettergurt?

    1. Hallo Martin,

      für Abseilachter gibt es inzwischen eine Norm und CE-Kennzeichnung. Achter waren aber bisher noch nie PSA. Insbesondere nicht zur Arbeitsplatzpositionierung, sondern in der Baumpflege nur zur Rettung und das in Verbindung mit einer Hintersicherung durch Klemmknoten.

      Viele Grüße vom Freeworker-Team

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