Vergangene Woche war Dirk Lingens, Baumpfleger und Autor des Buchs „Baumknoten“, bei uns im Laden und am Telefon als Berater tätig. Wir haben die Gelegenheit genutzt und nachgehakt, wie es eigentlich zum Knotenbuch gekommen ist, was ihn mit dem ART MiniBollard verbindet und wie es ihm bei uns gefallen hat. Außerdem führt er euch in einem Video den MiniBollard genauer vor.
Interview mit Dirk Lingens
Ich denke, dass du vielen vor allem durch dein Buch „Baumknoten“ ein Begriff bist. Wie kam es dazu, dass du als Baumpfleger plötzlich unter die Autoren und Zeichner gegangen bist? Die Knotenbilder stammen ja alle von dir selbst oder?
Ja, genau. Die Zeichnungen habe ich selbst angefertigt. Die Idee zum Buch stammt tatsächlich aus meiner tagtäglichen Berufspraxis. Ich war der Ansicht, dass alle in meinem Team – also auch die Bodenleute – über die Knoten, die wir Kletterer benutzen, Bescheid wissen sollten. Ich konnte aber keine Übersicht zu den wichtigsten Knoten, die in der Baumpflege und speziell beim Baumklettern verwendet werden, finden. Deshalb entschloss ich mich, selbst eine für meine Bodenleute zusammenzustellen.
Das war aber wesentlich problematischer, als ich dachte. Die Knotenbilder und insbesondere die Klemmknoten, die bei unserer Arbeit ja sehr wichtig sind, stellten mich vor große Herausforderungen. Ich war wirklich genervt, dass man nirgendwo brauchbare Informationen zu den speziellen, in der Baumpflege verwendeten Klemmknoten finden konnte. Und auch die Bilder und Kopien der Knoten waren immer mangelhaft: Wichtige Details waren nicht zu erkennen.
Also fing ich an, die Knoten selbst nachzuzeichnen – in der irrigen Annahme, dass das ja nicht so aufwendig sein könne. Das war es aber!
Trotzdem gab ich nicht auf und hatte schließlich eine m. E. vollständige Knoten-Sammlung mit Infos und Bildern zusammen. Der große Zeitaufwand, das Herzblut und die Mühe, die ich in das Projekt gesteckt hatte, waren aber zu schade, um es ’nur‘ an mein Team weiterzugeben. Deshalb entschloss ich mich, das Ganze als Buch zu veröffentlichen. Da Irren aber menschlich ist, ließ ich erstmal nur 100 Exemplare drucken, die ich unter meinen Ausbilder-Kollegen von der Münchner Baumkletterschule und FISAT-Mitgliedern verteilte. Sie schauten dann noch einmal über das Buch, ob sie noch Knoten vermissten oder sich Fehler eingeschlichen hatten.
Und, wie waren die Reaktionen? Wie ging es dann weiter?
Ich erhielt von den Kollegen Zuspruch und es folgte die 2. Auflage mit 1000 Exemplaren. Im Anschluss übersetzten wir das Buch ins Englische und Spanische. Da ich selbst leider nur Englisch spreche, war ich bei dieser Übersetzung etwas involvierter. Spannend daran fand ich, dass es im englischen Sprachraum eine ganz eigene Knoten- und Baumpflegekultur gibt. Eine 1:1 Übersetzung war also nicht möglich. Man musste sich zunächst in die Szene und in deren Sprachgebrauch einfinden, ehe eine adäquate Übertragung ins Englische möglich war. Eine wirklich äußerst interessante Erfahrung! Derzeit arbeiten wir übrigens auf Hochtouren an der französischen Version!
Vermutlich auch wegen des Buchs wirst du ja häufig als der „Knotenpapst“ bezeichnet. Hattest du schon immer so ein Faible für Knoten? Oder hat sich das erst im Lauf der Zeit entwickelt?
Tatsächlich hat sich mein Interesse für Knoten erst mit meiner Arbeit als Baumkletterer entwickelt. Bevor ich in der Baumpflege tätig wurde, hatte ich überhaupt kein Faible dafür. Da sie unsere Arbeit aber nicht nur leichter und sicherer, sondern auch abwechslungsreicher machen, entdeckte ich sie sehr schnell für mich.
Da jedoch, wie ich schon erzählt habe, kaum Material zu Knoten zu finden war, begann ich, mich selbst in das Thema einzuarbeiten. Ich wurde also aus Ermangelung an anderen ausgewiesenen Experten selbst dazu.
Um noch einmal auf den „Knotenpapst“ einzugehen: Bevorzugst du tatsächlich Knoten gegenüber Geräten? Oft wird dir ja unterstellt, du seist da sehr parteiisch.
Das stimmt so aber einfach nicht. Ich kann dazu nur sagen: Knoten sind dann besser, wenn sie besser sind! Das Gleiche gilt für Geräte. Damit will ich ausdrücken, dass es ganz auf die einzelne Arbeitssituation ankommt. Wenn ich das Problem oder die Aufgabe mit Knoten effizienter lösten kann, setze ich Knoten ein und umgekehrt. Ich habe zum Beispiel von Anfang an die Einführung des LockJack auf unseren SKT-A Kursen unterstützt. Damit kommt man einfach leichter ins Klettern. Andererseits bin ich aber auch der Meinung, dass wir schon im A-Kurs verstärkt Hochleistungs-Knoten zeigen sollten. Ich bevorzuge also weder die eine, noch die andere Seite, sondern nutze beide für mich – je nach Situation.
Neben Knoten ist auch Rigging eines deiner Spezial-Gebiete. Für uns hast du unter anderem eine kleine Video-Anleitung zum MiniBollard von ART gemacht. Was ist das Besondere daran?
Nun, zum einen bin ich von diesem Mini Poller absolut überzeugt, da es zu 100 % meine eigene Entwicklung gewesen ist. Ideengeber war Gernot Räbel. Zu einem Ausbildertreffen der MBKS brachte er einen kleinen, handlichen Poller mit. Ich war begeistert von der Idee, fand aber auch, dass da noch Luft nach oben war. Ich dachte mir: „Das geht einfacher!“ Also habe ich mich dran gesetzt und einen eigenen kleinen Poller entwickelt. Den habe ich im Anschluss an Hubert Kowalewski von ART zur Produktion weitergegeben.
Der MiniBollard bietet einige, entscheidende Vorteile gegenüber anderen Bremstrommeln: Er ist klein und handlich. In Kombination mit dem Zurrgurt DUO ist er sehr leicht und schnell zu montieren. Außerdem muss er nicht eingesägt werden. Die Stammverletzungen sind also im Vergleich sehr gering (Zum Beispiel kann er bei Kronensicherungsschnitten verwendet werden). Und das i-Tüpfelchen: Er sieht auch noch schick aus!
Und auch da bist du schon wieder kräftig am Weitertüfteln oder?
Ja, genau. Demnächst wird es den MiniBollard auch als MaxiBollard geben. Das ist quasi der gleiche Poller, nur ein bisschen größer. Der ist dann für dickere Seile bis zu einem Durchmesser von 19 Millimetern geeignet.
Apropos tüfteln: Der Kurs „Rigging am Modell“ ist auch dein Werk. Wie bist du denn darauf gekommen?
Das habe ich schon einmal ausführlich im Kletterblatt 2010 beschrieben. Meiner Ansicht nach hat die traditionelle Rigging-Ausbildung einige Probleme (die aber auch im Praxis-Kurs so nicht zu lösen sind). Mein Hauptproblem war, dass oft Dinge gelehrt wurden, die vielleicht einmal alle zwei Jahre gebraucht werden. Die kleinen Tipps und Tricks, die man im Alltag regelmäßig nutzen kann, gingen oft unter. Deshalb habe ich mir das Konzept zum Kurs „Rigging am Modell“ überlegt. Hier kann man alles zeigen: von verschiedenen Rigging-Situationen über Probleme, die auftauchen können, bis hin zu den Gefahren, die die einzelnen Techniken bergen. Am konkreten Baum kann man leider nicht immer alles vorführen, sondern nur das, was der Baum bzw. die Baustelle zulässt.
Vor allem Bodenleute haben im Modell-Kurs die Möglichkeit, konkret zu beobachten, was oben im Baum abgeht. Das ist so in der Praxis oft auch nicht gegeben. Meiner Meinung nach bekommt man bei keinem anderen Kurs soviel Wissen für so wenig Geld!
Während deiner Woche „Aus der Praxis für die Praxis“ bei uns im Laden hast du dann auch genau zu diesem Thema einen Workshop gemacht. Wie war’s?
Das hat mir wirklich großen Spaß gemacht. Ehrlich gesagt, halte ich total gerne Workshops. Denn zum einen finde ich es toll, anderen etwas Sinnvolles beizubringen. Zum anderen gibt es bei Workshops – ganz im Gegensatz zu Kursen – am Ende keine Prüfung. Jeder kann also das mitnehmen, was er möchte. Eine Win-Win-Situation: Ich hab Spaß am Vermitteln und die Teilnehmer haben Spaß am Lernen – ohne etwas lernen zu müssen.
Zum Schluss noch eine letzte Frage: Wie hat es dir insgesamt beim Freeworker gefallen? Würdest du wieder kommen? Oder hast du jetzt erstmal genug vom Verkaufen?
Da ich ja aus dem hohen Norden, aus Lübeck, komme, kann ich nicht oft hier vor Ort sein. Deshalb fand ich es sehr spannend, auch mal Einblick in die ganzen Abläufe usw. zu erhalten. Um ehrlich zu sein, freue ich mich schon, wenn ich wiederkommen darf. Beim nächsten Mal komme ich, wenn es bei euch im Laden richtig hoch hergeht. Dann kann ich den ganzen Tag Leute zum passenden Knotenmaterial, zur richtigen Rigging-Ausrüstung und zum MiniBollard beraten!
» Weitere informative Artikel von Dirk rund um Rigging und Baumknoten findet ihr im Kletterblatt-Archiv.