Freeworker in Trauer – Zum Tode von Hubert Kowalewski

Ende Juni erreichte uns die traurige Nachricht, dass Hubert Kowalewski, Mastermind von ART, aus dem Leben geschieden ist. Vielen in der Baumkletterszene war bereits bekannt, dass der Revolutionär der Baumklettertechnik seit längerem unter schweren Depressionen litt. Die Nachricht über den Suizid von Hubert versetzt Freeworker in tiefe Trauer. Seit vielen Jahren sind wir eng mit dem Tüftler und Erfinder verbunden.

Der Erfinder des LockJacks und vieler anderer wegweisender Klettergeräte für die Baumpflege wurde nur 57 Jahre alt und hinterlässt eine Lücke in der Baumkletterszene. Unsere Gedanken sind bei der Familie von Hubert, der wir in diesen Tagen des Verlustes viel Kraft wünschen.

„Ich kenne Hubert seit 1997 und wir sind seither eng verbunden, geschäftlich wie persönlich. Zusammen durchlebten wir viele Höhen und Tiefen. Wir planten und überlegten gemeinsam, und tauschten Ideen aus. Wir rangen miteinander um Details und unterstützten uns gleichzeitig nach Kräften. Gemeinsam brachten wir uns beide weiter. Immer mit dem Fokus, die Welt des Baumkletterns mit zu gestalten und voran zu bringen.

Ich bin in großer Trauer nicht nur deshalb, weil ich einen wichtigen Freund und Partner verloren habe, sondern auch deshalb, weil ich nicht in der Lage war, ihm zu helfen. Er wollte immer selbstbestimmt sein. Seine Entscheidung will ich respektieren, auch wenn ich sie nicht nachvollziehen kann. Der Schmerz in mir bleibt. Mein herzliches Beileid gilt den Angehörigen“

Johannes Bilharz

 

Hubert Kowalewski – Ein einzigARTiger Tüftler

Hubert Kowalewski, der Mann hinter der allen Baumkletterern bekannten Marke ART, gehört ein Platz in der Geschichte der Baumkletterei. Mit der Erfindung des Seilsicherungsgerätes LockJack veränderte er 1998 die Baumklettertechnik grundlegend. Es war ein spektakulärer Wurf, der ihm damals gelang. David gegen Goliath. Hubert, der unbekannte Baumpfleger aus einem kleinen Dorf bei Minden in Eigenregie gegen die Großen der Branche. Nicht zuletzt auch gegen eine große Zahl von Baumkletterern. Sie sahen ihre Freiheit bedroht, nicht zertifizierbare Klemmknoten zu nutzen. Diese Widerstände trieben ihn bis zuletzt in seinem Schaffen.

Mit dem SpiderJack setze er ein zweites Mal neue Maßstäbe hinsichtlich Ergonomie, Geschmeidigkeit, Effizienz und Kraftersparnis. Mit dem spektakulären SpiderJack-Video des australischen Weltklassekletterers Joe Harris gelang ihm der lang ersehnte weltweite Durchbruch und die Anerkennung bei den besten Kletterern der Welt.

Vor seiner Karriere als Hersteller war er bereits selbst als kletternder Baumpfleger sieben Jahre lang in Baumkronen mit teilweise selbst entworfenem Material unterwegs. Hubert war immer ein „Selbermacher“, der nicht nur nächtelang an seinem Material tüftelte, sondern sich auch autodidaktisch das Baumklettern beibrachte.

Die Initialzündung zum LockJack erfolgte auf den Baumklettermeisterschaften 1995 in Minden. Hier erkannte er die Möglichkeiten der Doppelseiltechnik, die zu dieser Zeit durch fehlende Alternativen noch mit dem reibungsintensiven Klemmknoten geklettert wurde. Vielen ist die „Hüftschwungtechnik“ noch ein Begriff, die so kräfteraubend ist, wie sie klingt. Zwei Wochen nach jener Meisterschaft war die erste Idee geboren. Noch drei weitere Jahre tüftelte Hubert an Ideen und Materialien und probierte Lösungen und Funktionsprinzipien aus, bis 1998 der patentierte und zertifizierte LockJack T1/T2 marktreif war. In diesem Jahr begann die enge Partnerschaft mit Johannes Bilharz und später mit Freeworker.

„Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“

Die Neugier auf Technik und Kreativität hat Hubert Kowalewski in die Wiege gelegt bekommen. Bereits sein Vater war begeisterter Tüftler und er ermunterte seinen Sohn früh, selbst über die Dinge nachzudenken, nach Lösungen zu suchen und sich Gedanken über Materialien, Werkzeuge, Arbeitsschritte zu machen. Zunächst mündete das väterliche Vorbild in umgebauten Fahrradmodellen und später in Huberts Wahlspruch „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“. Zuhören, zusehen, lernen, darüber nachdenken und verbessern waren ein Leben lang die Antriebe für Hubert Kowalewski. Auch der Werbeslogan „Vorsprung durch Technik“ begeisterte ihn in seiner Aussage.

Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung als Forstwirt, bevor er später das Abitur nachholte und in den Fächern Geschichte, Sport und Philosophie studierte. Das Studium finanzierte er sich dabei in einer Kfz-Werkstatt. Noch viele Jahre später reparierte er seine Autos stets selbst. Wald und Klettern waren jedoch verlockender und nach zwei Jahren beendete er das Studium. Danach arbeitete er als selbständig kletternder Baumpfleger weiter und begann, an seiner Kletterausrüstung zu tüfteln. Parallel dazu fing Hubert bei der Berufsfeuerwehr in Hannover an. Natur und Menschen helfen, Sport und Technik, das waren seine Motivationsquellen.

Advenced Ropeclimbing Technology – ART

Im Jahr der Serienproduktion des LockJack gründete er seine eigene Firma, deren Name weltweit in der Kletterszene bekannt wurde und für aufregende Innovationen stand und steht. Mit dem LockJack und ART wurde aus dem Tüftler und Bastler, der Konstrukteur Hubert Kowalewski. Sein Anspruch an die eigenen Produkte war enorm hoch. Sowohl für den professionellen Baumkletterer, wie für den Einsteiger und egal welche Fähigkeiten und Gewohnheiten der Nutzer mitbrachte, er sollte mit jedem ART-Produkt eine Bereicherung erfahren.

Mit dieser Maxime arbeite er mit großer Besessenheit in den folgenden Jahren an neuen Geräten, von denen jedes für Aufsehen in der Baumkletterwelt sorgte. Er wollte nie einfach nur kopieren, sondern seine eigenen neuen Lösungen finden. Davon zeugen die unzähligen Patente. Aus LockJack T1 und T2 wurde der LockJack Twin und der LockJack Sport. Selbst ein kleines Gerät wie der geniale Schnappkarabiner Trapeze durchlief mehrere Metamorphosen bis zur heutigen Version. Angeregt von eigenen Beobachtungen und Hinweisen aus der Baumkletterszene, entwickelte er Ideen und suchte Lösungen, zunächst in seiner eigenen Welt. Sein Anspruch war, nichts zu kopieren, selbst Ideen zu haben und nur Dinge zu verfolgen, die neu sind und einen Mehrwert bieten.

Bei fast allen seinen Entwicklungen ist Hubert Kowalewski etwas Einmaliges gelungen, das seinen Anspruch entsprach. Egal ob der kleine Trapeze, der RopeGuide, die Cocoon, der SpiderJack und die vielen anderen seiner Entwicklungen, sie alle sind einzigartig und steckten voller faszinierender und durchdachter Details. Sie alle brachten den Mehrwert für den Kletterer, den sich Hubert zum eigenen Anspruch gesetzt hatte. Wenn er eine bessere Idee und Lösung fand, tüftelte er weiter, bis die Lösungen möglichst für Altgeräte nachrüstbar waren. Anwender alter Geräte sollten Neuheiten nutzen, ohne sich ein neues Gerät kaufen zu müssen.

Für Hubert stand nicht das Geschäft im Vordergrund, sondern die Anerkennung durch die Anwender. Die Geräte und Produkte sollten überzeugen, funktionell und nachhaltig. Er legte immer Wert darauf, die Geräte modular aufzubauen. Eines seiner Markenzeichen: Verschleißteile sind austauschbar. Als einer der ersten traute er sich die PSA für zehn Jahre frei zu geben. Für einen kleinen Hersteller ein hohes Risiko.

Streben nach ständiger Verbesserung

Hubert Kowalewski wusste, dass es das perfekte Gerät nicht gibt. Er wollte trotzdem mit seinen Ideen der Perfektion nahekommen und neue Maßstäbe setzen. Sein eigener, hoher Anspruch bestand darin, Dynamik, Effektivität, Effizienz, Nachhaltigkeit und Ergonomie zu verschmelzen. Gleichzeitig achtete er bei seinen Konstruktionen darauf, die Geräte jederzeit durch den Tausch einzelner Teile weiter zu verbessen.

Mit Hubert Kowalewski verlässt auf tragische und zutiefst bedrückende Weise ein Vordenker und Revolutionär die Baumklettertechnik. Die Zukunft von ART Enterprise GmbH sicherte er über seinen Tod hinaus und gab die Geschicke seines Unternehmens seit geraumer Zeit in die Obhut seiner Nachfolger. Bis zum Schluss stand er ihnen mit Rat und unerschöpflichem Fachwissen zur Seite.

Hubert Kowalewski wird schmerzlich fehlen. Sein Name und seine Verdienste für das Baumklettern aber bleiben. Er setzte sich mit seinen Erfindungen ein bleibendes Denkmal in der Baumklettertechnik. Eine tief empfundene Anerkennung und der große Respekt von vielen Baumkletterern und Baumpflegern und von Freeworker sind Hubert Kowalewski für immer sicher.


In stillem Gedenken

Hubert Kowalewski

* 07.11.1961, † 26.06.2019


Gilching, 01.07.2019

 

6 Replies to “Freeworker in Trauer – Zum Tode von Hubert Kowalewski”

    1. bin nur traurig, ich durfte ihn persönlich kennenlernen,….
      habe mit seinen Systemen klettern gelernt,…
      Gleichzeitig zolle ich Hubert meinen Respekt, seinen Heimgang für sich so zu entscheiden,….
      für viele vielleicht nicht nachvollziehbar, aber wer kannte sein KAMA,
      ein friedvolles und letztes Praṇāma Hubert

  1. Dein geliebtes Auto steht vor der Tür, doch Dich gibt es nicht mehr.
    Hubert ich wünsche dir alles Gute auf Deinem anderen Weg nach oben.
    Dort wartet bestimmt eine neue Aufgabe auf Dich!
    Letzter Gruß von Deinem Mitbewohner

    Peter

  2. Als ich hier, bei Freeworker, im August 2000 meine erste Kletterausrüstung gekauft habe, war ein LockJack, mit einem 11 mm Seil ,dabei. Ob das jetzt der T1 oder T2 war, weiß ich heute nicht mehr aber in den nächsten Monaten habe ich geklettert was das Zeug so hergab. Ziemlich bald waren mir die Kambiumschoner, mit Ringen oder Karabinern, mit Rolle auf einem dieser Karabiner, sowas von unsympathisch, das ich nach Alternativen gesucht habe. Ich hatte zum Beispiel wochenlang einen Zettel im Flur liegen auf dem in großen Buchstaben stand „ Kambiumschoner mit Seil durch nur eine Rolle“ Ich bin kein Tüftler und so habe ich keine Lösung gefunden. Etwas später habe ich Hubert kennengelernt, in Stockelsdorf bei Dirk. Er hat damals den Positioner und den RopeGuide dort vorgestellt. Ich habe sofort entschieden die Dinger muss ich haben! War doch der RopeGuide genau das was ich mit Worten auf diesem Zettel in meinem Flur beschrieben habe. Wir sind ins Gespräch gekommen und Tage später habe ich ein Päckchen bekommen. Ein RopeGuide und ein Positioner. Prototypen vorab und noch ohne die nötige CE Zertifizierung! Später hat Hubert mir die Geräte dann ausgetauscht. Ich klettere heute mit dem SpiderJack 3. Wir sind immer mal wieder ins Gespräch gekommen und das letzte Mal habe ich Ihn auf irgendeiner Meisterschaft getroffen. Er hat mich auf ein Bier eingeladen! Ich habe hier bei Freeworker immer mal nachgefragt was Hubert macht. Es wurde immer still und es hieß dass es Ihm nicht so gut geht und das er sich ziemlich zurück gezogen hat. Die Nachricht von Huberts Tod hat mich im Auto erreicht und ich habe noch gedacht so alt war er doch nicht und ging es Ihm SO schlecht? Zuhause habe ich bei Freeworker nachgesehen und habe die Reaktion von Johannes gelesen. Das Hubert sich das Leben genommen hat, hat mich wie ein Faustschlag getroffen. Die Trauer und zugleich die Hilflosigkeit in den Worten macht mich selbst unglaublich betroffen, die Trauer und der Schmerz sitzt auch in mir sehr tief.
    Jedem der jetzt hier denkt und sagt „wie kann man sich denn nur das Leben nehmen“ möchte ich sagen „So funktioniert das nicht“ Es gibt immer irgendeinen Auslöser für Depressionen und ich spreche aus eigener Erfahrung. Ich habe seit 2012 an leichter Melancholie bis hin zu allerschwersten Depressionen gelitten. Es gab Tage da konnte ich nicht entscheiden welchen Baum ich zuerst schneide. Es gab Wochen in den ich nicht mehr essen konnte. Es gab Wochen in den ich nicht mehr laufen konnte und auf allen Vieren durch die Wohnung gekrochen bin. Ich habe Monate lang geheult. Jede Nachricht dass jemand verstorben ist nimmt man resignierend auf und fragt sich immer wieder warum DER und nicht ICH. Sofort hätte ich mit jedem getauscht! Es gibt kein echtes Lächeln mehr. Die eigene Frau, die eigenen Kinder, niemand ist mehr wichtiger als der eigene Schmerz, die eigene Trauer. Ich habe mir niemals professionelle Hilfe geholt und nur drei Menschen aus meinem engsten Umfeld haben überhaupt realisiert wie schlecht es mir ging! Entscheidungen die gesunde Menschen treffen sind für uns nicht mehr möglich, der Teil im Menschen der dafür zuständig ist, funktioniert bei uns nicht mehr, ist kaputt oder nicht mehr vorhanden. Normale Gedanken, positive Gedanken sind nicht mehr möglich. Man steht nicht mehr zu 100 Prozent im Leben. Ich habe selber Menschen kennengelernt die Depressionen hatten aber richtig verstehen konnte ich sie erst als ich selber betroffen war. Auslöser bei mir war die Begegnung mit dem wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ich habe dabei viele Fehler gemacht und diesem Menschen sehr weh getan und am Ende habe ich eben den wichtigsten Menschen wieder verloren. Ich bin dadurch schwer traumatisiert worden, ein Teil von mir ist kaputt gegangen oder gestorben ich habe mich nie wieder davon erholt. Ich habe das Leben gehasst und wollte endlich sterben. Meine 4 Kinder und die Arbeit mit Bäumen haben mich lange Zeit im Leben gehalten aber Normalität gab es keine mehr. Erst ein sehr schwerer Unfall, Anfang des Jahres hat das Trauma in mir wieder aufgebrochen. Ich war 4 Minuten zwischen Leben und Tod, und meine Seele hat entschieden dass ich leben soll oder will. Und seit dem Kann ich wieder Leben, Will ich auch wiederLeben, der Tod ist nicht mehr Wunsch. Es gibt sehr viele Narben in mir, ein Teil von mir ist auf immer verloren aber ich kann jetzt wieder ehrlich lächeln und die Kinder Sind wieder wichtig.
    Auch wenn ich es sehr bedaure kann ich Hubert sehr gut verstehen, aber ebenso auch Johannes und alle Hinterbliebenen die fassungslos, hilflos und vielleicht auch mit Wut zurückbleiben.
    Lasst uns Hubert Kowalewski als Kollege, Wegbegleiter und Freund in Erinnerung halten, als Tüftler mit vielen guten Ideen. Mit jedem SpiderJack bleibt ein Stück von Ihm!
    Der Familie und Freunden möchte ich mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken, aber auch für Akzeptanz werben. Menschen mit Depressionen können nicht mehr “normal“ leben und sich auch nicht selber um Hilfe kümmern. Dennoch ist Hilfe eine unbedingte Notwendigkeit. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen das ich professionelle Hilfe dringend nötig gehabt hätte, teilweise auch stationär, aber meine Familie und Freunde ratlos und völlig überfordert mit meiner Situation waren.

    An alle Kollegen möchte ich sagen passt auf euch und auf einander auf. Redet miteinander. Nehmt Hilfe an wenn Ihr betroffen seid. Ich biete hier, über Freeworker, auch gerne meinen Kontakt an.
    Hochachtungsvoll und in tiefer Demut vor dem Leben
    Michael Appel

  3. Das Schicksal ist ein übler Verräter ….. Warum geht jemand von uns, obwohl seine Zeit noch nicht gekommen ist? Unverständlich bleibt für mich immer,dass „wir,“ sein Umfeld ,es nicht mit bekommt. Wie das Leben uns doch verändert. Ich hatte nie das Glück ,ihn persönlich kennengelernt zuhaben. Seine Produkte haben mich, mein ganzes Arbeitsleben begleitet. Und mich sicherer und effizienter im Baum werden lassen. Das wichtigste aber ist, ich habe noch mehr Spass, dabei. Um so trauriger ist es, das die Person, der man das zu verdanken hat, ihn nicht mehr im Leben hatte. In tiefer Trauer und DANKE für dein Lebenswerk, Kletterfritze

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