Baumpflege around the World: Japan

Auf der Erde gibt es derzeit 3,04 Billionen Bäume und 7,2 Milliarden Menschen. Theoretisch bedeutet das, dass jeder Mensch sich um 422 Bäume kümmern müsste, vorausgesetzt alle wären Baumpfleger. Doch, wer kümmert sich in anderen Ländern um die Bäume? Wie arbeiten andere Baumpfleger in anderen Teilen der Welt? Welche Regeln und Vorschriften müssen sie beachten? Welche gefährlichen Tiere und Pflanzen gibt es? All diese Fragen wollen wir in der neuen Serie „Baumpflege around the World“ beantworten.

Nanako in Japan

Unser viertes Reiseziel für die Beantwortung dieser Fragen liegt im pazifischen Ozean. Der 6852 Inseln umfassende Staat bei dem wir heute zu Gast sind nennt sich Japan. Das Land der aufgehenden Sonne ist weltweit das letzte Land, welches einen Kaiser besitzt. Kaiser Naruhito hat allerdings keine Staatsaufgaben, sondern nur zeremonielle Aufgaben. Als Teil der G7 ist Japan eine der größten Industrienationen der Welt. Historisch ist Japan sogar die erste Industrienation Asiens und hat nicht nur eine sehr hoch entwickelte Volkswirtschaft, sondern auch das drittgrößte Volksvermögen, sowie die weltweit höchste Lebenserwartung.

Wir hatten das Glück, dass Nanako die Zeit gefunden hat, unsere Fragen bei einem Interview zu beantworten und uns so die Möglichkeit gibt, mehr über die Baumpflegeszene in Japan lernen zu können.

Nanako, wo bist du aufgewachsen und wo arbeitest du jetzt?

Ich bin in Tokio, Japan, aufgewachsen und arbeite dort.

In Deutschland gibt es verschiedene Möglichkeiten, Baumpfleger zu werden. Wie läuft die Ausbildung zum Baumpfleger in deinem Land ab? Ist hier eine bestimmte Schulbildung oder ein Abschluss erforderlich?

Japan im Herbst

Für den Beruf des Baumpflegers gibt es keine Schule, in der man das Baumklettern lernt. Wie man klettert, kann man am Arbeitsplatz lernen. Man tritt einfach in ein Unternehmen ein und lernt von anderen Mitarbeitern. Es gibt Baumpflegerorganisationen und Ausbildungskurse, die ein- oder mehrtägige Kletterseminare für die Öffentlichkeit und Fachleute anbieten. Wenn jemand Baumpflege akademisch studieren wollte, könnte er diese Art von Kurse und Lehrveranstaltungen an einer Universität oder Fachhochschule besuchen. Danach kann man sich in einem Unternehmen weiterbilden.

Wie lange bist du schon in der Baumpflege tätig? Wie bist du zur Baumpflege gekommen? Und wolltest du schon immer Baumpflegerin werden?

Ich bin seit vier Jahren in dieser Branche tätig. Früher habe ich mich für Blumen und Pflanzen interessiert, deshalb habe ich als Floristin und Gärtnerin gearbeitet. Aber als ich einen Job in Kanada suchte, stellte mich ein Baumpflegerunternehmen ein und ich habe dann 2018 mit der Baumpflege angefangen. Ich hatte mich zwar schon vorher für die Baumpflegebranche interessiert, aber es hat sich keine Gelegenheit für eine neue Karriere ergeben. 2018 war dann der richtige Zeitpunkt gekommen, um diese neue Karriere zu beginnen.

Unsere Follower auf Facebook und Instagram sind sehr klar aufgeteilt. 90% sind männlich, 10% sind weiblich. Was denkst du, wie ist die Verteilung zwischen männlichen und weiblichen Baumpflegern in deinem Land?

Was die Kletterer betrifft, schätze ich, dass der Anteil der weiblichen Kletterer weniger als 10 % beträgt. Aber was die nicht kletternden Baumpfleger betrifft, scheint der Frauenanteil bei 20% oder mehr zu liegen. Ich glaube, dass die Zahl der Baumpflegerinnen langsam zunimmt. Allerdings habe ich schon seit einiger Zeit keine weiblichen Kletterer mehr in meiner Umgebung gesehen. Als Beruf sind Gärtner und Forstarbeiter in diesem Land sehr beliebt, daher wissen die Leute, wie man einen Job findet, aber der Baumpfleger ist als Beruf nicht sehr bekannt. Meine Vermutung ist, dass einige Japaner das Wort „Baumpfleger“ mit „Baumkletterer“ verwechseln.

Wie würdest du den Zusammenhalt der Baumpfleger in deinem Land beschreiben? Wie bist du mit der internationalen Community verbunden?

Nanako und ihre Kollegen

In meinem Land ist die Baumzuchtbranche sehr komplex. Es gibt eine japanische Zertifizierung als „Baumdoktor“, die in der Branche am weitesten verbreitet ist. Und die „re“ ist eine Organisation der ISA. Aber leider ist ihre Politik oder/und die Art und Weise der Verwaltung nicht sehr attraktiv für die Öffentlichkeit. Es gibt auch eine Organisation der traditionellen Gartenbranche. Diese beiden Branchen überschneiden sich teilweise, aber sie helfen sich gegenseitig nicht, um Verbesserungen und Änderungen vorzunehmen. Das merkt man vor allem bei den Sicherheitsstandards. Ich habe mich mit der internationalen Gemeinschaft über Facebook und Instagram verbunden. Als ich diese Karriere in Kanada begonnen habe, hat mich mein Chef in eine Baumpflege-Gruppe, Tree life, auf Facebook eingewiesen. Ich habe auch Instagram-Posts auf Englisch gepostet, um von internationalen Baumpflegern gesehen zu werden.

Kannst du dir vorstellen, im Ausland zu arbeiten? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? Oder hast du bereits Erfahrung in diesem Bereich?

Ja. Wann und wo immer ein Unternehmen mich einstellt. Aber ich spreche Englisch und Japanisch, also sind vielleicht Englisch sprechende Länder leichter für mich. Meine erste Karriere war in Kanada, wo ich etwa ein Jahr lang gearbeitet habe.

Nun zu den technischen Fragen.

Welche Geräte verwendest du? Importierst du Geräte oder gibt es auch lokale Hersteller?

Ich verwende Petzl, DMM, ISC, Rock Exotica, Clogger, Stihl, Husqvarna und andere. Es gibt nicht viele japanische Marken. Wir verwenden Dinge, die jeder mag. Ich habe Baumpflegerutensilien nur über Online-Shops importiert, wenn ihre Preise billiger waren als in den Geschäften in Japan.

Welche Art von Vorschriften – für die Ausrüstung – gibt es in Japan? Wie streng werden diese befolgt und kontrolliert?

In Orange ist Nanako klar erkennbar.

Die Vorschriften für Geräte sind ähnlich wie die ANSI-Vorschriften. Einige Unternehmen halten sich daran, aber andere, insbesondere Unternehmen alten Stils, missachten die Vorschriften. Sie entschuldigen sich damit, dass sie seit langem mit der alten Methode arbeiten und dass die Effizienz und die Arbeitsgeschwindigkeit nachlassen würden, wenn sie sich an neue Methoden anpassen müssten. Wir selbst halten uns jedoch weitgehend an die ANSI. Ich kann auch nicht zu 100 Prozent sagen, dass ich die japanischen Vorschriften befolge, denn es gibt Widersprüche. Ein Grund dafür ist, dass die Vorschriften für Seilarbeiter in Japan nicht nur für Baumpfleger, sondern auch für Gebäudewartungspersonal gelten. Diese arbeiten aber mit unterschiedlichen Geräten und natürlich ist auch der Arbeitsstil nicht derselbe. Dennoch müssen beide die gleichen Vorschriften befolgen, so dass ein Teil der Vorschriften nicht für jeden von uns sinnvoll ist.

Kletterst du SRT oder DRT? Oder beides in Kombination?

Ich klettere beides, z. B. ZigZag, Hitch Climber und Prusik, Seilklemme und Akimbo.

Was ist dein bevorzugtes Seilgerät oder dein bevorzugter Klemmknoten?

ZigZag für DRT. Akimbo und vielleicht Unicender.

Welches ist dein Lieblingswerkzeug oder -produkt?

Petzl Flow, weil es weich und flexibel ist. Leicht zu binden, anzuziehen, einzustellen und zu lösen.

Die USA sind bekannt für ihre Sequoias, Japan für seine Kirschblüten. Welcher Baum ist sonst noch für dein Land speziell und was ist dein Lieblingsbaum?

Zelkova (Zelkova serrata), Sugi (Cryptomeria japonica), Ginkgo (Ginkgo biloba), Schwarzkiefer (Pinus thunbergii) und der Kampferbaum (Cinnamomum camphora) sind besonders. Mein Lieblingsbaum ist der Magnolienbaum, weil ich mich durch seinen Duft entspannt fühle.

Kanada hat Bären, Indien hat Tiger, Deutschland den Eichenprozessionsspinner und Australien hat viele giftige und gefährliche Tiere. Was ist das gefährlichste Tier im Baum oder in der Umgebung, was dir in die Quere kommen könnte?

Braunbären und Blutegel bei Menschen. Ambrosia-Käfer bei Eichen, ein Fadenwurm bei Kiefern und der Langhornkäfer aus China bei Kirschbäume.

Aber nicht nur Tiere können gefährlich sein. Was sind die gefährlichsten Pflanzen auf die du treffen kannst?

Sumach und Kalopanax septemlobus. Robinia pseudoacacia, weil es sich um nicht einheimische Arten handelt und sie zusätzlich noch Dornen haben.

In Deutschland sind manche Arten von Flora und Fauna geschützt. Habt ihr auch Arten auf die ihr aufpassen müsst oder schützt ihr Dinge auf eure Art?

Was die Tiere betrifft, so gibt es Raptoren, Eulen, Kraniche und andere. Was die Pflanzen betrifft, wilde Orchideen, Stiefmütterchen und Veilchen. In Japan gibt es eigene rote Listen, die alle fünf Jahre aktualisiert werden. So können wir herausfinden, welche Arten vom Aussterben bedroht sind. Aber die Entwicklung und der Bau von Straßen und Autobahnen geht weiter und dies ist der Hauptgrund für das Aussterben.

In Deutschland startet die Hauptsaison für Baumschnitt (mit Rücksicht auf den Artenschutz) im Oktober und endet März/April. In welchem Zeitraum oder zu welcher Jahreszeit ist bei euch die Hochsaison in der Baumpflege?

Das hängt davon ab, welche Art von Baumpflege wir durchführen. Im Herbst und im Winter sind wir sehr beschäftigt mit dem Beschneiden von Bäumen, vor allem in schneelosen Gebieten.

Je nach Land, gibt es verschiedene Jahreszeiten oder Trocken und Regenzeiten. Was war die extremste Wetterlage, bei der ihr gearbeitet habt? Hitze? Eis? Regen? Sturm?

Ein Herbsttag mit starkem Regen und kaltem Wind. Unser Geländewagen steckte an einer Mülldeponie fest. Wir gruben die Reifen mit den Händen aus. Unsere Körper waren völlig ausgekühlt und hatten keine Energie mehr. Ich denke trotzdem, dass Schnee besser ist, weil wir dennoch irgendwie trocken bleiben können oder wieder trocknen bei Sonnenschein, aber bei Regen frieren wir über den Schauer hinaus.

In ein paar Ländern ist es nicht so einfach schnell einen Rettungsdienst zu rufen. Wie schnell erreicht euch ein Rettungsdienst in Notlagen, wenn ihr einen benötigen würdet?

Wenn der Unfall in der Stadt passiert, geht es ziemlich schnell. Spätestens nach 10 Minuten ist es der Rettungswagen da. Die durchschnittliche Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes beträgt in Tokio etwa sieben Minuten. Außerdem gibt es viele Elektroschockgeräte zur Wiederbelebung für normale Menschen, genannt AED. Viele Schulen, Bahnhöfe, Rathäuser und andere Gebäude bestimmter Größe sind mit mindestens einem AED ausgestattet.

Welche Rolle spielen die lokalen Regierungen und Gemeinden bei der Förderung und Unterstützung der Baumpflege in deinem Heimatland?

Nanako ganz oben

In Japan gibt es kaum ein System zur Unterstützung der Baumpflege. Straßenbäume werden schlecht beschnitten. Das ist eine Schande. Aber das liegt daran, dass wir jedes Jahr ziemlich viele Regenstürme und starke Winde haben. Um Schäden und Unfälle zu vermeiden und die Instandhaltungskosten zu senken, gehören beschnittene Straßenbäume zum enttäuschenden Stadtbild.

Welche Zukunftsaussichten gibt es für die Baumpflege in deinem Heimatland und was kann getan werden, um die Gesundheit und Schönheit von Bäumen zu erhalten und zu fördern?

Ich hoffe, dass das Durchschnittseinkommen in unserer Branche erhöht wird. Tatsächlich sind niedrige Löhne generell ein großes Problem in Japan. Die Preise steigen, aber das Einkommen steigt kaum. Ich hoffe auch, dass das Versicherungssystem für Freiberufler oder Vertragskletterer verbessert wird. Das Versicherungssystem ist vor allem für Freiberufler unzureichend. In Japan zum Beispiel liegt die Baumpflege zwischen Gartenbau und Forstwirtschaft. Einige Gärtner klettern, und einige Forstarbeiter klettern ebenfalls. Je nachdem, wer der Bauherr oder Auftraggeber ist, wird eine bestimmte Art von Klettertätigkeit als Teil des Baugewerbes und eine andere Art von Klettertätigkeit als Teil der Forstwirtschaft oder sogar als andere Branche eingestuft. Und es gibt nur wenige Versicherungssysteme, die diese Branchen abdecken. Das bedeutet, dass wir für beide Branchen eine eigene Versicherung abschließen müssen, nur für den Fall, dass es zu Unfällen oder Verletzungen kommt. Das ist einfach lächerlich. Ich hoffe also, dass die Branche integriert wird und die Büroarbeit in dieser Hinsicht für uns wirtschaftlich einfacher und leichter gemacht wird.

Und die letzte Frage. Was war euer spektakulärster oder schönster Arbeitstag, den du nie vergessen wirst?

Blick über die Stadt

Es waren zwei große Tannenumzüge, als ich nur über Grundkenntnisse verfügte und nicht viel Geschick hatte. Der Kunde war der Besitzer einer Rennpferdefarm. Die erste Tanne befand sich direkt hinter dem Haus des Besitzers, aber zwischen dem Haus und der Tanne standen noch mittelhohe Bäume. Ich kletterte frühmorgens hinauf, führte einfache Sicherungsarbeiten durch und kletterte gegen 15 Uhr wieder herunter. Mein Kollege fällte dann am Ende den Baum. Am zweiten Tag befand sich die Tanne am Rande der Grünfläche und in der Nähe der Zäune. Ich musste Speedlining bei starkem Regen machen. Es war Sommer, also habe ich zum Glück nicht gefroren. Am Ende konnte ich die schöne Aussicht von der Spitze des Baumes genießen. Die Herausforderung hat mich für zukünftige Aufträge sehr ermutigt.

Nanako, das war es mit dem Interview. An dieser Stelle nochmal Dankeschön für diese tolle Möglichkeit und deine Teilnahme. Unfassbar wie unterschiedlich die Szene in ein paar tausend Kilometern bereits ist. Bleib gesund und hab weiterhin viel Spaß bei der Arbeit. Wer mehr von Nanako und der Baumpflegeszene in Japan wissen will, kann gerne auf ihrem Instagram Kanal vorbeischauen.

Im nächsten Beitrag reisen wir in den sonnigen Westen Europas. Bekannte Städte unseres Ziels sind Barcelona, Valencia, Sevilla und die Hauptstadt Madrid. Das Land nennt sich Spanien. Bis dahin, climb up safe!


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8 Replies to “Baumpflege around the World: Japan”

  1. Die Baumpflege spielt eine wichtige Rolle für den Erhalt und die Gesundheit unserer Bäume. Besonders in den städtischen Gebieten ist eine professionelle Baumpflege unerlässlich, um Bäume vor Schäden und Krankheiten zu schützen. Dabei werden verschiedene Methoden wie der fachgerechte Baumschnitt und die regelmäßige Kontrolle auf Schädlingsbefall angewendet. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedliche Länder und ihre Traditionen die Baumpflege beeinflussen können.

  2. Gerade durch das Klettern ist es als Laie unmöglich die Pflege eines Baumes selber zu übernehmen. Deswegen habe ich die Baumpflege an ein Unternehmen abgegeben. Das erspart mir außerdem Zeit und Geduld.

  3. Ich wusste gar nicht, dass es die Möglichkeit gibt Baumpfleger zu werden. Ich möchte gern Bäume pflegen. Danke für die Aufklärung zu dieser Möglichkeit der Baumpflege!

  4. Ich wusste gar nicht, dass der Baumpfleger ein echter Beruf ist. Ich dachte, es sind Sachverständige, die Baumkontrollen durchführen. Aber auch interessant, dass es dafür keine Ausbildung gibt, sondern man alles auf der Arbeit lernt.

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