Auf der Erde gibt es derzeit 3,04 Billionen Bäume und 7,2 Milliarden Menschen. Theoretisch bedeutet das, dass jeder Mensch sich um 422 Bäume kümmern müsste, vorausgesetzt alle wären Baumpfleger. Doch, wer kümmert sich in anderen Ländern um die Bäume? Wie arbeiten andere Baumpfleger in anderen Teilen der Welt? Welche Regeln und Vorschriften müssen sie beachten? Welche gefährlichen Tiere und Pflanzen gibt es? All diese Fragen wollen wir in der neuen Serie „Baumpflege around the World“ beantworten.
Neben der parlamentarischen Erbmonarchie mit König Felipe dem VI. ist das Land vor allem für Tourismus bekannt und ist nach Frankreich das Land mit den zweit meisten Besuchern der Welt. Dazu tragen sicherlich auch weltbekannte Fußballvereine wie der FC Valencia, der FC Barcelona, der FC Sevilla und natürlich auch „die Königlichen“ bzw. „die Galaktischen“ oder kurz Real Madrid bei. Doch Spanien bietet viel mehr als einen König und den Weltsport Fußball. An den Küsten im Norden und Süden winken Strände, das Meer, der Geruch von frischer Paella, die Feiermeilen von Mallorca und im Nordosten des Landes an der Grenze zu Frankreich, die schneebedeckten Pyrenäen, in welchen man Ski fahren gehen kann.
Doch auch in Spanien gibt es Baumpfleger und Baumpflegerinnen. Wir hatten das Glück, dass Haya Villar Lisson die Zeit gefunden hat, unsere Fragen bei einem Interview zu beantworten und uns so die Möglichkeit gibt, mehr über die Baumpflegerszene in Spanien lernen zu können.
Haya, wo bist du aufgewachsen und wo arbeitest du jetzt?
Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einem kleinen Haus mitten im Wald, in der Nähe von Tarragona, Spanien. Arbeiten tue ich im Raum Barcelona und Umgebung.
In Deutschland gibt es verschiedene Möglichkeiten, Baumpfleger zu werden. Wie läuft die Ausbildung zum Baumpfleger in deinem Land ab? Ist hier eine bestimmte Schulbildung oder ein Abschluss erforderlich?
Baumpfleger ist in Spanien noch kein anerkannter Beruf, es gibt nur ein paar offizielle Stellen (eine in Madrid, eine in Barcelona), an denen man eine umfassende Ausbildung mit theoretischem und praktischem Unterricht absolvieren kann, die etwa 5-6 Monate Vollzeitunterricht in Anspruch nimmt. Es gibt auch die AEA (Asociación Española de Arboricultura), die kurze spezifische Ausbildungen im Bereich Baumpflege anbietet. Die ersten Baumpfleger des Landes sind jetzt etwa 50 Jahre alt, angefangen haben sie vor 30 Jahren, was viel darüber aussagt, wie jung dieser Industriezweig und das Wissen darum ist.
Wie lange bist du schon in der Baumpflege tätig? Wie bist du zur Baumpflege gekommen? Und wolltest du schon immer Baumpflegerin werden?
Ich habe im Jahr 2016 mit der Baumpflege begonnen. Zuvor war ich in der Fernseh- und Kinobranche als Kamerafrau und Video-Editorin tätig; ich war dort elf Jahre lang glücklich, aber plötzlich vermisste ich den Kontakt zur Natur, die zu meinen Wurzeln gehörte. An meinem 36. Geburtstag beschloss ich, ein neues Leben zu beginnen und zur Natur zurückzukehren. Ich spürte einen sehr starken Ruf in mir, den Ruf der Wildnis. Vielleicht war mein Name auch ein Zeichen. Haya bedeutet Buche. Deswegen: Fagus sylvatica (Rotbuche).
Unsere Follower auf Facebook und Instagram sind sehr klar aufgeteilt. 90% sind männlich, 10% sind weiblich. Was denkst du, wie ist die Verteilung zwischen männlichen und weiblichen Baumpflegern in deinem Land?
Ich weiß nicht genau, wie hoch die Zahl der männlichen und weiblichen Baumpfleger in Spanien ist, aber ich kann sagen, dass ich bei meiner täglichen Arbeit hauptsächlich von Männern umgeben bin. Nur selten komme ich in andere Regionen meines Landes, um mit anderen weiblichen Baumpflegern zu arbeiten. Die Arbeitsrealität sieht leider auch so aus, dass Kunden in der Regel lieber einen Mann zur Pflege ihrer Bäume auswählen. In Spanien gibt es nur vier Frauen mit ETW-Zertifikat, dafür aber 114 Männer mit demselben Zertifikat. Also sind nur 3,4 % zertifizierte Baumpflegerinnen. Eine von Ihnen bin ich. Persönlich würde ich mich freuen, wenn mehr Frauen in diese Branche kämen. Bei den spanischen Baumklettermeisterschaften zum Beispiel sind nur 10 % Frauen dabei. Ich finde Meisterschaften sind kein sehr repräsentativer Ort für die berufliche Realität. Ich bin Baumpflegerin und habe nie an Meisterschaften teilgenommen, da es mir keinen Spaß macht unter Druck und in Eile zu arbeiten.
Wie würdest du den Zusammenhalt der Baumpfleger in deinem Land beschreiben? Wie bist du mit der internationalen Community verbunden?
Nun, es gibt Baumpfleger, die sich gerne einmal im Jahr auf der Meisterschaft und/oder den jährlichen Fachkongressen treffen, um sich über Neuigkeiten in der Branche zu informieren und auszutauschen und sich mit neuen Informationen über Bäume und Werkzeuge einzudecken; und es gibt einen anderen Teil der Baumpfleger, die ihre Arbeit in ihren eigenen Unternehmen erledigen, aber nicht in die „Baumpflegerfamilie“ eingebunden sind. Ich bin irgendwo dazwischen. Ich gehe gerne ins Ausland und arbeite auch in verschiedenen Gebieten meines Landes um andere Arbeitsweisen kennen zu lernen. Bisher war ich nur in Frankreich und Deutschland, und die dortigen Erfahrungen haben mir sehr viel an neuem Wissen vermittelt.
Kannst du dir vorstellen, im Ausland zu arbeiten? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? Oder hast du bereits Erfahrung in diesem Bereich?
Seit ich 2016 mit der Baumpflege begonnen habe, fahre ich jedes Jahr mehrere nach München, um dort zu arbeiten und neue Baumpflege Erfahrungen zu sammeln. Mir gefällt, wie respektvoll sie mit Bäumen umgegangen wird. Im Vergleich zu Spanien gibt es in deutschen Städten weit mehr und größere Bäume. Viele Kunden, die ich in Spanien habe, mögen keine Bäume in ihren Gärten, weil sie sich am fallenden Laub oder dem Schatten stören, den ein Baum spendet.
Nun zu den technischen Fragen.
Welche Geräte verwendest du? Importierst du Geräte oder gibt es auch lokale Hersteller?
Mein Gurt ist ein Treemotion, meine aktuellen Seile sind von Courant, Teufelberger, FTC, mein Helm ist von Kask, meine Hosen sind von Pfanner, meine Stiefel sind von ArbPro und Salewa und meine Kettensägen sind von Stihl. Also nichts davon wurde in Spanien hergestellt. Nur mein Felisch und Blut sind spanisch und nicht einmal da bin mir zu 100 Prozent sicher.
Welche Art von Vorschriften – für die Ausrüstung – gibt es in Spanien? Wie streng werden diese befolgt und kontrolliert?
Als Baumpfleger müssen wir die gleichen Vorschriften befolgen wie jeder der in der vertikalen arbeitet. Unser gesamtes Material muss eine Sicherheitskontrolle durchlaufen haben und eine CE-Nummer aufweisen, sonst kann es bei einem Unfall zu vielen Problemen kommen. Meistens verlangen bestimmte Kunden nicht, dass ein Zertifikat vorgelegt werden muss, um seine Kenntnisse zu bestätigen, aber an den offiziellen Stellen muss man nachweisen, dass man alle seine Zertifikate hat (Risikoprävention, Kettensägenzertifikat, ETW, Haftpflichtversicherung, usw.). Manchmal gibt es Arbeitsinspektionen, um zu überprüfen, ob die Arbeit unter all den geforderten Bedingungen ausgeführt wird.
Kletterst du SRT oder DRT? Oder beides in Kombination?
Ich klettere beides in Kombination, es hängt jeweils vom Einsatz ab den ich zu erledigen habe.
Was ist dein bevorzugtes Seilgerät oder dein bevorzugter Klemmknoten?
Ich benutze einen Klemmknoten an meinem Halteseil und bei der SRT. Am Doppelseil nutze ich einen ZigZag. Manchmal, wenn ich viele Tannen klettern muss, stört das Harz und verklebt mir die Ausrüstung. Das kann sehr lästig sein.
Welches ist dein Lieblingswerkzeug oder -produkt?
Alle in einer guten Kombination sind nützlich! Wenn ich die Wahl habe, entscheide ich mich immer für die jeweils passendste Lösung.
Die USA sind bekannt für ihre Sequoias, Japan für seine Kirschblüten. Welcher Baum ist für dein Land speziell und was ist dein Lieblingsbaum?
In meiner Gegend sind Pinus halepensis und Pinus pinea die typischsten Bäume, da wir in der Mittelmeerregion leben. Aber ich bevorzuge die Bäume des kontinentalen Klimas, wie Fagus, Eichen, Fraxinus, Alnus, Betula. Es ist schwer, einen Baum zu wählen, denn ich liebe sie alle, aber Fagus Sylvatica hat etwas magisches, großartiges, er raubt mir den Atem.
Kanada hat Bären, Indien hat Tiger, Deutschland den Eichenprozessionsspinner und Australien hat viele giftige und gefährliche Tiere. Was ist das gefährlichste Tier im Baum oder in der Umgebung, was dir in die Quere kommen könnte?
In Spanien gibt es keine sehr gefährlichen Tiere, aber wenn man von einer asiatischen Wespe ins Gesicht oder in den Hals gestochen wird, sollte man besser ins Krankenhaus rennen oder eine Adrenalinspritze in der Nähe haben.
In Deutschland sind manche Arten von Flora und Fauna geschützt. Habt ihr auch Arten auf die ihr aufpassen müsst oder schützt ihr Dinge auf eure Art?
Wir versuchen, keine Bäume in der Brutzeit zu fällen. Einige Vögel sind besonders geschützt, wie z.B. Raubvögel oder Turteltauben, oder einige Pflanzen, die nicht bearbeitet werden dürfen: ruscus aculeatus, illex aquifolium. Ich kenne sie nicht alle, aber ich versuche immer, bei meiner Arbeit so respektvoll wie möglich mit Tieren und Pflanzen umzugehen. Auch wenn Kunden mich manchmal um Dinge bitten, die der Natur nicht sehr zuträglich sind: z.B. das Anbringen von Stacheln gegen Vögel auf den Ästen oder das Entfernen von Nestern argentinischer Papageien von den Bäumen (es gibt oft Tausende von ihnen in den Bäumen und sie sind sehr schwer (50kg).
In Deutschland startet die Hauptsaison für Baumschnitt (mit Rücksicht auf den Artenschutz) im Oktober und endet März/April. In welchem Zeitraum oder zu welcher Jahreszeit ist bei euch die Hochsaison in der Baumpflege?
Die Hauptsaison für den Baumschnitt in Spanien ist im Winter, von November bis März.
Je nach Land, gibt es verschiedene Jahreszeiten oder Trocken und Regenzeiten. Was war die extremste Wetterlage, bei der ihr gearbeitet habt? Hitze? Eis? Regen? Sturm?
Der Winter in Spanien ist sehr mild und freundlich, aber von April bis September steigen die Temperaturen so stark an, dass es sehr anstrengend sein kann, bei 35 oder 40 Grad mit der Motorsäge zu arbeiten. Deshalb ziehe ich es vor, bei kühlerem Wetter zu arbeiten. Wenn ich im Winter in München arbeite ist es für mich anfangs immer sehr hast mich an die Temperaturen unter Null Grad zu gewöhnen, aber nach einer Weile gewöhne ich mich daran.
In ein paar Ländern ist es nicht so einfach schnell einen Rettungsdienst zu rufen. Wie schnell erreicht euch ein Rettungsdienst in Notlagen, wenn ihr einen benötigen würdet?
Das hängt davon ab, ob man sich in der Nähe eines Krankenhauses befindet oder sehr weit weg. Aber wir haben in Spanien grundsätzlich recht effektive Rettungsdienste.
Welche Rolle spielen die lokalen Regierungen und Gemeinden bei der Förderung und Unterstützung der Baumpflege in deinem Heimatland?
Es gibt Gesetze, die die Erlaubnis zum Fällen von Bäumen regeln, aber es wird nichts wirklich überwacht, wenn es um das Beschneiden von Bäumen geht. Es sollte mehr Kontrolle und Aufklärung in Bezug auf das Beschneiden von Bäumen geben. Es gibt eine Menge schlechter Praktiken beim Baumschnitt (viele Baumkronen werden unsachgemäß gekappt oder sehr große Äste entfernt).
Welche Zukunftsaussichten gibt es für die Baumpflege in deinem Heimatland und was kann getan werden, um die Gesundheit und Schönheit von Bäumen zu erhalten und zu fördern?
Im Zuge des Klimawandels versuchen die Politiker, „grüner“ zu erscheinen und die Städte natürlicher zu gestalten, aber das ist manchmal nur für die Imagepflege, um Wählerstimmen zu gewinnen.
Um eine gesunde städtische Baumlandschaft zu erreichen, müssten sich einige Dinge von Grund auf ändern: Meiner Meinung nach kommen die meisten Probleme schon mit der Baumgesundheit aus der Baumschule: zu große Bäume mit sehr beschädigten und schlechten Wurzeln werden gepflanzt. Das zweite Problem ist die Wahl des Ortes, an dem der Baum gepflanzt werden soll: Wir sollten alle eine langfristige Vision haben, bevor wir uns entscheiden, einen Baum zu pflanzen. Der richtige Baum am richtigen Ort.
Und drittens: Je weniger wir einen Baum beschneiden, desto „glücklicher“ und gesünder wird er sein. Wir müssen versuchen, die Bäume in ihrer natürlichen Form zu belassen und sie so wenig wie möglich zu beschneiden.
Ich denke, dass die Regierungen eine Menge Geld bei der Baumpflege sparen können, wenn sie nur diese drei grundlegenden Schritte befolgen.
Und die letzte Frage. Was war euer spektakulärster oder schönster Arbeitstag, den du nie vergessen wirst?
Jedes Mal, wenn ich oben in einer Baumkrone bin und plötzlich den frischen Wind spüre, der über mein Gesicht streicht, fühle ich mich wie ein privilegierter Mensch und bin glücklich, dort oben zu sein.
Haya, das war es mit dem Interview. An dieser Stelle nochmal Dankeschön für diese tolle Möglichkeit und deine Teilnahme. Unfassbar wie unterschiedlich die Szene in ein paar tausend Kilometern bereits ist. Bleib gesund und hab weiterhin viel Spaß bei der Arbeit. Wer mehr von Haya und der Baumpflegeszene in Spanien wissen will, kann gerne auf ihrem Instagram Kanal vorbeischauen.
Im nächsten Beitrag reisen wir auf die südliche Halbkugel der Erde und drehen alles auf den Kopf. Bekannte Städte unseres Ziels sind Melbourne, Perth, Sydney und die Hauptstadt Canberra. Das Land nennt sich Australien und ist weltweit auch als „Down Under“ bekannt. Bis dahin, climb up safe!
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Baumpflege. Gut zu wissen, dass die Baumpflege ein weltweit gesuchtes Gebiet ist. Ich habe früh angefangen Bäume zu pflegen, da meine Mutter eine Baumplantage hatte.
Baumschnitt ist mehr als nur Gartenpflege – es ist die Kunst, Natur in Form zu bringen. Durch einen bedachten Schnitt fördern wir nicht nur die Gesundheit der Bäume, sondern schaffen auch eine harmonische Verbindung zwischen Mensch und Natur. Ein feinfühliges Eingreifen für ästhetische Balance und ökologische Verantwortung.