Viktor von Magnus und sein Meisterschaftsjahr

Viktor macht Pause

Es gibt sie immer wieder. Typen wie Max Verstappen, Marc Marquez, Connor McDavid oder Lionel Messi. Sie alle haben eine Sache gemeinsam: Sie sind sogenannte Ausnahmesportler und wahnsinnig talentiert in dem, was sie machen. Marc Marquez schnappte sich mit 20 Jahren seinen ersten von insgesamt sechs MotoGP-Titeln. Lionel Messi schoss in 29 Jugendspielen in Rosario den Ball mehr als 50-mal ins gegnerische Tor. Connor McDavid sammelte mit 15 Jahren in 88 Eishockeypartien 209 Punkte (79 Tore & 130 Vorlagen) und Max Verstappen bretterte im Alter von 16 Jahren mit mehr als 300 km/h über die bekanntesten Rennstrecken der Welt und das, ohne einen regulären Führerschein zu besitzen. Nun, einige Jahre später kennt sie fast jeder, denn heute sind oder waren sie die besten Athleten ihrer Sportart.

Viktor bei der Euro

Quasi jede Sportart bringt ihre Ausnahmesportler hervor. Leider werden nicht alle so berühmt und bekannt wie die vier bereits genannten, aber die Fans, Zuschauer, Familien oder auch die Branche kennen sie dafür umso mehr. So hat auch das Baumklettern den ein oder anderen Kletterstar hervorgebracht. Bernd Strasser gewann zwischen 1999 und 2012 neun Weltmeistertitel im Baumklettern. Josephine Hedger sackte dieses Jahr ihren sechsten WM-Titel ein. Natürlich ist es schwer, weit verbreitete Sportarten mit dem Baumklettern zu vergleichen, aber würden wir das einfach tun, dann wäre wohl der 18-jährige deutsche Viktor von Magnus das nächste Supertalent der Baumpflegebranche.

Wir hatten nicht nur das Glück, ihn auf diversen Meisterschaften klettern sehen zu dürfen, sondern haben uns auch mit ihm zusammengesetzt um sein Baumklettermeisterschaftsjahr 2023 ein wenig Revue passieren zu lassen und ihm dazu ein paar Fragen gestellt.

Viktor, es freut uns, dass du da bist. Starten wir zuerst mit dem Ende des letzten Jahres. 2022 in Kleve hast du das Masters ja noch verpasst, bei der Süddeutschen Meisterschaft 2022 hast du es zum ersten Mal ins Masters geschafft und auch gleich gewonnen. Jetzt bist du Deutscher Vizemeister und Dritter der Europameisterschaft. Das ist ein großer Fortschritt innerhalb eines Jahres. Was hat dir physisch und mental dabei geholfen?

Meine Hobbys. Gerade Parkour hilft mir physisch im Baum sehr viel weiter. Psychisch war die gesammelte Erfahrung von Kleve und Hohenbrunn 2022 extrem hilfreich. Ich wusste, wie es abläuft, was auf mich zu kommt und was passieren kann.

Wie hast du dich denn auf die deutsche Meisterschaft vorbereitet? Hattest du einen Trainingsplan oder warst du klettern, wann immer du konntest?

Ich habe zuerst nicht bewusst für die diesjährige deutsche Meisterschaft trainiert. Es war anfangs eher ein Klettern und im Baum rumhüpfen, ein Versuch sich schön zu bewegen. Kurz vor der deutschen Meisterschaft habe ich mich dann aber mit Jakob Dürrenberger und Murielle Krebs getroffen. Hier habe ich richtig für die Meisterschaft trainiert.

Die deutsche Meisterschaft findet ja meist an einem Brückentag statt und du bist noch Schüler. Wie steht denn deine Schule dazu und wie ist die Situation mit der Anwesenheitspflicht in der Schule wenn Meisterschaften sind?

Ich bin ich sehr froh, dass die Schule und meine Lehrer mich da voll unterstützen. Den Brückentag bzw. Freitag vom Meisterschaftswochenende habe ich von der Schule frei bekommen.

Wie ist es mit der Aufregung vor einer Meisterschaft bei dir? Cool wie Eis oder flattern die Nerven?

Aufregung ist da immer dabei – wäre auch komisch, wenn sie nicht da wäre. Nur bei der Rettung bin ich dennoch immer aufgeregt, weil man so viel im Kopf haben muss. Habe da extra ein Foto vom Scoresheet auf meinem Handy, damit ich nichts vergesse. Das gilt vor allem für die Besonderheiten, die dann eingebaut werden. Da den roten Faden zu verlieren ist echt gefährlich für die Punktewertung. Ein guter Messpunkt für meine Aufregung ist immer das Einwerfen.

Was war deine Zielsetzung und dein Gefühl bei der deutschen Meisterschaft?

Internationaler Austausch

Nach der Vorentscheidung hatte ich ein wirklich gutes Gefühl. Das hat mir am Folgetag in der Quarantäne (Wartezone für Mastersteilnehmer) sehr geholfen. So war ich vor dem Masters weniger aufgeregt. Da war das Wissen über den ersten Platz am Freitag in der Vorentscheidung und der erste Platz bei der Süddeutschen Meisterschaft wirklich sehr hilfreich. Meine Zielsetzung war das Erreichen des Masters am Samstag. Alles andere sollte ein Bonus sein.

Gefühlsmäßig war ich auf das Wochenende sehr stolz. Was mir persönlich auch richtig gut gefallen hat, war die Anzahl an Teilnehmern aus anderen Ländern, die dabei waren. Also Teilnehmer wie Michael Curwen, Tanguay Bonniard, Nora Cordier und Murielle Krebs. Sie haben mir das Gefühl gegeben, als wäre es eine Mini Europameisterschaft, auch wenn nur einer bzw. eine von ihnen im Masters antreten durfte. Man hat so viele neue Leute kennengelernt, das war einfach schön.

Apropos neue Leute kennenlernen: als Vizemeister qualifizierst du dich ja für die Europameisterschaft. Zwischen den Meisterschaften lagen keine zwei Monate. Hast du dich darauf dann anders vorbereitet? Mit wem trainierst du für Meisterschaften?

Viktor beim Training

Nach dem zweiten Platz bei der deutschen Meisterschaft hatte ich für die Europameisterschaft definitiv den Ansporn, mehr zu trainieren. Dafür habe ich mich dann wieder mit Jakob und Murielle getroffen. Aber auch hier gilt es halt alles an die Schule anzupassen. Was dann noch erschwerend dazu kam, war ein größeres Parkour-Videoprojekt in München. Da galt es für mich einen Mittelweg zu finden. Aber Jakob und Murielle sind allerdings auch nicht jeden Tag in München fürs Training, also war der Weg relativ klar. Von wem ich unheimlich viel gelernt habe ist Fabian Weber. Leider trainiere ich nur sehr selten mit ihm, was aber den Wert des Trainings nicht vermindert. Ich hätte gern so eine Trainingsgruppe wie es die Australier bei der Weltmeisterschaft hatten, das war wirklich inspirierend. Der letzte Teil der Vorbereitung für die Europameisterschaft war, dass ich von der Schule die benötigten Tage freibekomme, aber das war wie bei der deutschen Meisterschaft gar kein Problem. Die Schule unterstützt mich da wirklich sehr gut.

Was machst du sonst zwischen den Meisterschaften, wenn du nicht gerade im Baum bist? Du hast vorhin mit Parkour vermutlich schon eines deiner Hobbies angesprochen.

Neben dem Baumklettern bouldere ich gerne oder mache eben Parkour. Ich bin einfach gerne draußen und wenn ich nicht im Baum bin, mache ich eine der anderen beiden Sachen. Beim Parkour drehe ich auch gerne Videos, vor allem wenn beim Baumklettern gerade Pause ist.

Wie war die Vorfreude und die Europameisterschaft bei dir, mit dem Gedanken, dass die deutsche Meisterschaft eine Mini-Europameisterschaft war?

Viktor redet mit James

Nach der deutschen Meisterschaft hatte ich so Bock auf die EM in Budmerice (Slowakei) und dank der Erfahrungen bei der deutschen Meisterschaft war es wirklich super. Es war eine total angenehme und lockere Stimmung, weil man viele Teilnehmer schon aus Magdeburg kannte. Was hier aber leicht unterschätzt wird, ist der Level des Kletterns. Dieser ist wirklich hoch und es sind alles begabte Kletterer. Auch meine Eltern waren begeistert vom ganzen Aufbau und der Veranstaltung an sich. Den dritten Platz haben wir natürlich auch zusammen gefeiert. Bin jetzt noch glücklich über das Ergebnis und all die Erfahrungen. Aber ich sehe manches auch ein bisschen kritischer zu Beginn fehlte mir ein wenig der Fokus, aber dann hatte ich mein Ziel im Blick und nach dem Einwerfen fiel auch die Spannung ab – und das war ausschlaggebend um dieses Ergebnis zu erreichen.

Bei der Europameisterschaft gab es vom Publikum Standing Ovation nach deinem Masters für dich. Was hörst du von anderen Kletterern zu deiner Leistung?

Ich habe viel gutes Feedback von anderen Kletterern und Freunden bekommen und das ist mir sehr viel wert. Über Vergleiche mache ich mir sonst gar keine Gedanken, jeder geht seinen eigenen Weg.

Ich weiß, dass du lang auf die Bestätigung warten musstest, ob du zur WM fahren darfst. Wie war die Situation für dich und wie habt ihr geplant?

Viktor im Baum

Das war wirklich nicht einfach. Frank Rinn von der ISA kam schon in Budmerice auf mich zu und meinte es gäbe eine Chance auf die Weltmeisterschaft für mich, wenn James als Europameister antritt und nicht als Deutscher Meister. So könnte ich dann als Vizemeister nachrutschen. Das Schwerste daran war das Warten, das Ungewisse, weil sich die ISA-Verantwortlichen aus den USA so viel Zeit gelassen haben. Aber ich habe dennoch nie daran gezweifelt, dass das nicht klappen würde. Wir haben dann die Flugtickets gebucht, bevor sie noch teurer geworden wären, was die Spannung dann noch mehr in die Höhe trieb. Aber als dann klar war, dass ich zur Weltmeisterschaft darf, war das einfach ein riesiger Felsbrocken, der mir da vom Herz gefallen ist. Ich war so erleichtert und voller Vorfreude. Ich habe es bei zwei Meisterschaften bewiesen, dass ich das kann, ich hatte mir das einfach verdient.

Wie war die Weltmeisterschaft für dich? Wie hast du dich auf die WM in New Mexico vorbereitet?

Viktor und James

Die Weltmeisterschaft in Albuquerque war ein ganz anderes Erlebnis. Man hat sich gefühlt wie in einem Wild West Film, aber alles war modern. Das ganze Feeling war anders, aber für mich war es auch die Kombination aus Weltmeisterschaft und Umgebungsveränderung. Das war ja das erste Mal, dass ich auf einem anderen Kontinent war. Meine Familie und ich sind extra ein paar Tage eher angereist, damit es keine Probleme mit Müdigkeit bzw. „Jetlag“ gibt und man sich an die neue Umgebung und das Klima gewöhnen konnte. Aus meiner Sicht hat das super geklappt. Ich habe vor der WM dann noch ein wenig mit James Kilpatrick trainiert, damit ich auch ein Gefühl für die Bäume bekomme. Die Bäume bei der Weltmeisterschaft waren sibirische Ulmen, ähnlich wie bei einer Pappel, ist der Feinastbereich sehr brüchig. Ich bin so viel geklettert, wie möglich, einfach um das Gefühl für die Bäume stetig zu verbessern.

Zur WM selbst kann man nur sagen, dass das Niveau einfach komplett anders ist. Es ist vielmehr ein Sportwettkampf als ein Arbeitswettkampf. Jeder, der vor Ort ist, hat die Einstellung gewinnen zu wollen. Wenn man dann die Australier genauer anschaut, weiß man, was ich meine. Die sind gemeinsam als Team aufgetreten, hatten ihr eigenes Zelt, ihre eigenen Getränke und im Vergleich zu uns trainieren sie sogar zusammen für Welt- und Regionalmeisterschaften. Das ist ein ganz anderes Niveau.

Mit meiner eigenen Leistung bei der WM bin ich sehr zufrieden, auch wenn ich es selbst nicht ins Masters geschafft habe. Ich war einfach froh, dass ich Teil dieser Weltmeisterschaft sein durfte.

Ein ganz spezieller Moment bei der WM war dein Weltrekord im „1 vs. 1-Ascent“. Wie kams dazu?

Viktor beim Aufstieg

Beim Weltrekord hatte ich einfach das Glück, dass wir die eigenen Seile benutzen durften, das war ein Vorteil. Neue Seile sind meistens noch ein wenig rutschig, die eigenen kennt man dann doch besser. Dann kam natürlich das Adrenalin dazu und hat als Booster gedient. Zuletzt muss ich dem Parkour danken, denn die Beinarbeit, welche man dort braucht, ist beim Ascent wirklich extrem hilfreich und so Endstand dann mein neuer Weltrekord. Wobei ich es sehr witzig finde, dass es keine richtig offizielle Zeit gibt. Jamie Boston hat 8,9 Sekunden am Handy gemessen, während auf der Ergebnisliste gar keine Zeit stand und bei der Siegerehrung 9,8 Sekunden genannt wurden.

Als Abrundung des Jahres warst du auf der Süddeutschen Meisterschaft in Ulm als Judge dabei. Wie war diese Erfahrung bzw. der Seitenwechsel für dich?

Sehr cool. Es hat viel Spaß gemacht, mal die andere Seite zu sehen und auf was die Judges alles achten müssen. Ich war ja beim Work-Climb als Judge unterwegs und es war interessant zu sehen, wie die Teilnehmer den Weg geklettert sind. Michael Hansch und ich sind den Parkour ja Probe geklettert, um den idealen Weg zu finden. Dann zu sehen, wie die Kletterer durch die Bäume klettern, obwohl man selbst den für sich idealen Weg kennt, war sehr spannend. Man sieht diesen Weg von außen teilweise völlig anders. Aber es war eine hilfreiche Erfahrung, da die Judges wirklich keinen einfachen Job haben, uns alle zu beurteilen.

Deine Eltern waren ja auch auf den Meisterschaften dabei. Wie stehen sie zum Baumklettern und was sagen sie zu diesem erfolgreichen Jahr?

Sie unterstützen mich, wo es geht, sie fanden es richtig gut und sind auch happy. Auch, dass die Schule nicht mehr so lang geht. Sie haben das Jahr genauso genossen wie ich und hatten auch richtig Bock auf die Meisterschaften. Meine Eltern sind auch derselben Meinung, dass ich einen Mittelweg mit der Schule finden muss und vertreten den Satz den jeder von uns schonmal gehört hat: „So lang die Schule stimmt!“

Für kommendes Jahr, was erwartet dich 2024? Ein ähnlicher Ablauf, sofern die Schule mitspielt?

Vielleicht nicht, 2024 könnte ein wenig anders ablaufen. Bei mir steht jetzt das letzte Schuljahr an und dementsprechend im kommenden Mai das Abitur. Da kann es sein, dass es anders abläuft mit den Meisterschaften im Vergleich zu diesem Jahr. Aber ich muss sagen, für meine letzten offiziellen Schulsommerferien waren es richtig coole Sommerferien.

Wie ist der Zukunftsplan, wenn du dein Abitur bestanden hast?

Viktor wieder auf dem Boden

Da habe ich eigentlich einen klaren Plan. Ich muss noch meinen SKT-B Kurs machen, dann möchte ich mein Hobby zum Beruf machen und als Subunternehmer arbeiten. Mein Plan ist hier zuerst in Deutschland zu arbeiten und dann vielleicht nach Australien zu den Bostons zu gehen. Die haben mich darauf angesprochen, ob ich mir des vorstellen könnte. Dort könnte ich mich auch auf die WM 2025 in Neuseeland vorbereiten. Das wäre schon ein Ziel, auf das ich hinarbeiten möchte. Ansonsten möchte ich mir mehr Baumwissen aneignen, um dann vielleicht Arboristik zu studieren oder den Fachagrarwirt zu machen. Aber das ergibt sich dann alles. Für mich ist wichtig, dass ich in der Baumpflege arbeiten kann.

Jetzt haben wir über deine beruflichen Ziele geredet, aber was sind deine Ziele für zukünftige Baumklettermeisterschaften, wenn du an ihnen teilnimmst?

Für jede Meisterschaft ist das Masters mein Hauptziel. Aber ich habe auch Nebenziele. Ich will das Baumklettern perfektionieren und habe richtig Lust darauf es auf die Spitze zu treiben. Mein Traumziel ist natürlich der Weltmeistertitel. Den kann ich aber nicht gewinnen ohne mein erstes Ziel zu erreichen. Also muss ich schauen wie sich das Ganze entwickelt, denn das Wichtigste daran ist, dass der Spaß und meine Motivation nicht verloren geht.

Du bist aktuell noch Schüler. Wie wichtig ist Sponsoring für dich, wenn du auf internationale Events fährst? Und wie stehst du zu Sponsoring bei Baumklettermeisterschaften, welche ja eigentlich Arbeitswettkämpfe sind?

Also ganz ohne Unterstützung wäre es schwierig. Für Großveranstaltungen wie die Weltmeisterschaft könnten große Sponsoren in Zukunft unausweichlich werden. Grad für die Reise- & Verpflegungskosten sind Sponsoren eigentlich essentiell. Wenn wir schon beim Thema sind, möchte ich mich auch bei euch bedanken, für die Hilfe und Unterstützung dieses Jahr.

Meine letzte Frage an dich. Wenn du jetzt auf das gesamte Jahr bis zur Süddeutschen Meisterschaft zurückschaust. Hättest du dir in Hohenbrunn das Jahr 2023 so vorstellen können?

Nein, gar nicht. Nach der Süddeutschen Meisterschaft war natürlich die deutsche Meisterschaft sehr spannend für mich, aber alles, was danach kam, war einfach surreal. Deutscher Vizemeister, dritter Platz bei der Europameisterschaft in Budmerice und das Warten auf die Zusage zur Weltmeisterschaft. Das ist einfach surreal. Es ging alles so Schlag auf Schlag. Aber es war ein sehr cooles Jahr mit ganz vielen tollen Erfahrungen.

Viktor, wir bedanken uns vielmals bei dir für das Interview. Wir wünschen dir für das Schuljahr und beim Abitur viel Erfolg und hoffen, dich nächstes Jahr auf den Meisterschaften wieder sehen zu dürfen.

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