Wurfbeutel im Test: Blei oder Stahl?

Dieser Artikel von Dirk Lingens stammt aus dem Kletterblatt 2022, der Kurszeitschrift der Münchner Baumkletterschule. Wir dürfen diesen mit freundlicher Genehmigung von Dirk und der Münchner Baumkletterschule bei uns auf dem Blog veröffentlichen.

Zwei weitere Artikel aus dem Kletterblatt – Baumkletterausrüstung für Frauen und Kletterset Grote – findet ihr ebenfalls bei uns auf dem Blog. Alle weiteren Artikel rund um die Themen Baumpflege und Seilklettertechnik gibt’s im Kletterblattarchiv oder ihr bestellt euch das Heft kostenfrei bei uns im Freeworker-Shop.

Bei der Wahl des Wurfbeutels schwören viele auf Blei als Füllmaterial: Die seien kleiner, kompakter und treffsicherer. Das bezweifelte ich ja schon länger. Zum einen konnte ich mich mit meinen Stahlbeuteln beim Werfen durchaus sehen lassen. Und zum zweiten bin ich ein Freund der Theorie, dass unsere Wahrnehmung zum großen Teil durch das Gehirn konstruiert wird und weniger durch die Realität entsteht, als uns lieb ist.

Realität ist aber, dass Blei ein Umweltgift ist und es sehr guter Argumente bedürfte, um weiterhin mit Blei gefüllte Beutel zu verwenden. Machen wir uns nichts vor: Jede*r von uns verliert hin und wieder einen Beutel. Und auch ein gut gearbeiteter Beutel kann kaputt gehen und seinen Inhalt preisgeben.

Versuchsaufbau des Wurfbeutel-Tests

Also beschwor ich die Geister der Empirie und legte eine Versuchsreihe an. Damit die Energie vergleichbar blieb, nutzte ich eine Big Shot mit Lösevorrichtung. Es wurden elf verschiedene Wurfbeutel in drei Gewichtsklassen (350 g, 250 g, 230 g) ausgewählt (siehe unten). Alle Wurfbeutel wurden nacheinander geschossen, dann ein zweiter und dann ein dritter Durchlauf. Es wurde darauf geachtet, dass das Gummi nur kurz gespannt blieb und sehr zügig geschossen wurde. Damit es möglichst wenig Streuungen durch die jeweils anders fliegende Wurfleine gab, wurde nur eine neun Meter lange Leine verwendet. Es wurde aber nicht ohne Wurfleine geschossen, um eine realitätsnahe Ausrichtung des Beutels während des Fluges sicherzustellen.

Um den Einfluss der Wurfleine auf die Weite zu sehen, wurde im Anschluss einmal ohne Leine geschossen, zweimal mit einer 1,8 mm Dyneemaleine und dann noch zweimal mit einer 2,2 mm Dyneemaleine. Als Wurf beutel wurde hierfür der 248 g Meteor gewählt, da hier die Streuung der Werte sehr gering war.

Damit ich selbst die gewählte Schussenergie mit meinen Baustellen vergleichen konnte, habe ich noch versucht, möglichst weit von Hand zu werfen (mit kurzer und mit langer Leine). Zu guter Letzt wollte ich noch meine geringe Erfahrung mit der Big Shot unter Beweis stellen und habe alles gegeben. Die Streuung der Werte zeigte meine Kompetenz.

Ergebnisse des Wurfbeutel-Tests

Gewinner ist der von mir mit Kabelbindern getunte Stahlbeutel. Zugegeben: Der Vorsprung ist marginal und „gewonnen“ deswegen, weil damit Stahl als Füllmaterial als gleichwertig anzusehen ist. Entscheidend ist nicht Stahl oder Blei, sondern kompakt oder nicht kompakt. Schön zu sehen ist das auch an dem von mir in die Versuchsreihe eingeschleustem Stahlschloss: sehr kompakt und damit Gewinner. Und das Tuning des Gewinners in der 250 g Klasse bestand darin, dem Beutel seine Formbarkeit zu nehmen und ihn dadurch kompakt zu machen. Auch die Meteor-Beutel zeichnen sich durch Kompaktheit aus.

Diese Kompaktheit birgt gleichzeitig einen großen Nachteil: Verletzungsgefahr. Dass von einem Stahlschloss ein größeres Risiko ausgeht als von einem sehr weichen Eco-Beutel, leuchtet ein, da durch die Verformung Energie aufgenommen werden kann. Mir ist aber kein Versuchsaufbau eingefallen, mit dem dieses Risiko untersucht werden könnte (Freiwillige vor, Tierversuche sind verboten).

Gründe für Wurfbeutel mit Bleikugeln

  1. In der Regel bessere Verarbeitung. Das hat aber nichts mit der Füllung zu tun, sondern mit der Tatsache, dass die Hersteller*innen sich hier Mühe gegeben haben.
  2. Dünnere Beutel bleiben beim Fädeln weniger in engen Astgabeln hängen. Ja, das ist so. Aber auch das hat weniger mit dem Blei zu tun als mit der Verarbeitung und dem Schnittmuster des Beutels. Ein schlank genähter Stahlbeutel könnte hier mithalten.
  3. Baumpfleger*innen geben gerne Geld für Ästhetik aus.

Gründe für Wurfbeutel mit Stahlgranulat

  1. Tote Seeadler sind nicht schön. Stahlbeutel sind weniger umweltgefährdend.
  2. Weniger Selbstgefährdung durch Blei. Das Ausmaß ist mir nicht bekannt, liegt für mich aber im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand.

Für die Nutzung von Bleibeuteln bleibt an Argumenten nicht viel übrig. Wenn selbst Jäger*innen vermehrt auf Bleimunition verzichten (und hier gäbe es gute Gründe) und es in einigen Bundesländern schon verboten ist, damit zu schießen, sehe ich nicht, warum wir weiterhin mit Blei hantieren sollten.

Mein Aufruf in Bezug auf Wurfbeutel

  • Liebe Baumpfleger*innen, bringt Eure Bleibeutel zum Sondermüll.
  • Liebe Hersteller*innen, füllt die gut verarbeiteten Beutel mit Stahl.
  • Liebe Händler*innen, deklariert die Bleibeutel als das, was sie sind.

Meinen Dank an Ina Stürmer für die Unterstützung!

Tabellarische Übersicht der Ergebnisse des Wurfbeutel-Tests

11 verschiedene Wurfbeutel in einer Reihe

Alle Wurfbeutel aus dem Test

Beschreibung der Wurfbeutel

  1. HR: Blei, 253 g
  2. Eco + Kabelbinder: Stahl, 247 g
  3. Eco (alt): Stahl, 262 g
  4. Meteor: Stahl, 248 g
  5. Weaver: Blei, 369 g
  6. Eco: Stahl, 362 g
  7. Meteor: Stahl, 348 g
  8. Libre: Stahl, 255 g
  9. Bügelschloss: Stahl, 231 g
  10. Notch: Blei, 230 g
  11. Eigenbau: Sand, 231 g

250 g Klasse

Beutelnr. 1. Schuss 2. Schuss 3. Schuss Mittelwert
1 29,3 m 29,65 m 30,9 m 29,95 m
2 28,8 m 31,6 m 29,9 m 30,1 m
3 28,6 m 27,7 m 26,3 m 27,53 m
4 28,2 m 30,8 m 28,45 m 29,15 m
8 29,95 m 27,75 m 28,5 m 28,73 m

350 g Klasse

Beutelnr. 1. Schuss 2. Schuss 3. Schuss Mittelwert
5 24,15 m 24,9 m 23,7 m 24,25 m
6 23,7 m 22,9 m 21,9 m 22,83 m
7 26,3 m 25,65 m 25,4 m 25,78 m

230 g Klasse

Beutelnr. 1. Schuss 2. Schuss 3. Schuss Mittelwert
9 31,05 m 32,2 m 31,2 m 31,48 m
10 29,85 m 28,85 m 29,6 m 29,43 m
11 26,25 m 27,4 m 26,85 m 26,83 m

Vergleiche

Beutelnr. 1. Schuss 2. Schuss 3. Schuss Mittelwert
4 ohne Leine 34,8 m / / 34,8 m
4 mit 50 m Hotline, Ø 1,8 mm 27,9 m 27,5 m / 27,7 m
4 mit 50 m Zing It, Ø 2,2 mm 25,75 m 26,8 m / 26,78 m

Beschreibung der Wurfbeutel

  1. Handwurf mit Meteor 248 g und 9 m Wurfleine
  2. Handwurf mit Meteor 248 g und 50 m Wurfleine Edelrid Hotline
  3. Big Shot frei Hand mit Meteor 248 g und 50 m Wurfleine Edelrid Hotline
Beutelnr. 1 2 3
1. Wurf/Schuss 46,6 m 43,5 m 49,1 m
2. Wurf/Schuss 53,2 m 44,1 m 48 m
3. Wurf/Schuss 47,7 m / 56,5 m
4. Wurf 48,2 m / /
5. Wurf 44,85 m / /
Mittelwert 48,11 m 43,8 m 51,2 m

Der Autor: Dirk Lingens

 

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2 Replies to “Wurfbeutel im Test: Blei oder Stahl?”

  1. Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten uns selber mal versuchen Wurf Beutel zu nähen welche Form wäre dabei am besten ? Gebe es eventuell auch Schnitt Muster ?
    Liebe Grüße Familie Becker W.W.

    1. Hallo Meike,
      nein haben wir leider nicht, wir denken die einfachste Möglichkeit ist das Internet zu befragen oder sich direkt an einen Hersteller zu wenden.
      Viele Grüße vom Freeworker

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