Diesen Artikel haben wir zunächst für das Kletterblatt 2022, der Kurszeitschrift der Münchner Baumkletterschule, verfasst. Da uns das Thema Frauen in der Baumpflege am Herzen liegt, veröffentlichen wir den Artikel ebenfalls auf unserem Blog. Gerne könnt Ihr uns eure Meinungen und Erfahrungen in die Kommentare posten.
Zwei weitere Artikel aus dem Kletterblatt – Wurfbeutel im Test und Kletterset Grote – findet ihr ebenfalls bei uns auf dem Blog. Alle weiteren Artikel rund um die Themen Baumpflege und Seilklettertechnik gibt’s im Kletterblattarchiv oder ihr bestellt euch das Heft kostenfrei bei uns im Freeworker-Shop.
Mittlerweile sind Frauen bei der Arbeit hoch oben im Baum kein allzu ungewohnter Anblick mehr. Immer mehr entdecken dieses spannende Arbeitsfeld für sich und starten eine Karriere als professionelle Baumpflegerin und Baumkletterin. Trotzdem sind Frauen in der Baumpflege nach wie vor in der Minderheit. Nun könnte man davon ausgehen, dass aus diesem Grund die existierende Ausrüstung speziell auf Männer und deren Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ist das tatsächlich ein Problem für Frauen? Oder haben die Hersteller vielleicht bereits reagiert und es gibt passendes Equipment auf dem Markt? Gibt es überhaupt so etwas wie spezifisch weibliche und/oder männliche Anforderungen an die Baumkletter-Ausrüstung?
Geschichte der kletternden Baumpflege und passender Ausrüstung
Vorab lohnt ein Blick in die Geschichte der kletternden Baumpflege in Deutschland, Europa und der Welt, um die bisherige Entwicklung von Baumkletter-Ausrüstung nachzuvollziehen. In den vergangenen Jahren hat sich der Markt für Produkte rund um Seilklettertechnik und moderne Baumpflege enorm entwickelt und zahlreiche Neuheiten und Innovationen hervorgebracht. Vor noch nicht einmal 20 Jahren war es für kletternde Baumpfleger*innen schwierig, überhaupt an passende Ausrüstung zu kommen. Sie bedienten sich mal schlecht, mal recht in anderen Branchen, experimentierten und bastelten sich das, was sie brauchten, zusammen. Klemmknoten waren der Stand der Technik.
Mit dem zunehmenden Bewusstsein für Bäume, den Erkenntnissen der modernen Baumpflege und den neuen Möglichkeiten der Seilklettertechnik stiegen die Aufträge. Eine stetig wachsende Zahl von kletternden Baumpfleger*innen suchte nach allem, was ihnen die Arbeit im Baum und am Seil leichter und sicherer machte. Spezialisierte Händler wie Freeworker beschafften Geräte und Materialien und bald erkannten auch die Hersteller das Potenzial dieses neuen Marktes.
Status quo bei der Ausrüstung für Frauen in der Baumpflege
Die neuen, zertifizierten Produkte orientierten sich an den Bedürfnissen und Aufgaben der Baumpfleger*innen und ersetzten nach und nach Notlösungen und Selbstgebasteltes. Immer wieder waren Baumpfleger*innen aktiv in die Entwicklung der Produkte eingebunden. Mit dem wegweisenden Baumklettergurt TreeMotion, an dem der neunmalige Weltmeister Bernd Strasser mitgearbeitet hat, erreichte diese Entwicklung 2007 einen ihrer Höhepunkte.
Damals standen kletternde Baumpflegerinnen, bewusst oder unbewusst, noch viel weniger im Fokus als heute. Erst mit Beginn des neuen Jahrtausends gab es z. B. auf Meisterschaften Frauenwettbewerbe. Heute dürften noch immer neun von zehn Baumpfleger*innen1 männlich sein. Die Teilnehmerinnen auf nationalen Meisterschaften bleiben überschaubar und weibliche Ausbilderinnen sind selten.
Und doch zeigt sich eine steigende Tendenz. Immer mehr Frauen finden ihren Weg in die Baumpflege und zur Seilklettertechnik. Grund genug, die bestehende Ausrüstung etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und die oben formulierten Fragen zu beantworten. Gibt es Probleme mit dem Equipment, die speziell Frauen betreffen? Und falls ja, gibt es hier Nachholbedarf bei den Herstellern?
Stimmungsbild: Frauen in der Baumpflege und passende Ausrüstung
Freeworker wollte es genauer wissen und schauen, ob es Probleme gibt, wo diese ggf. liegen und was evtl. auf dem Markt fehlt. Dafür haben wir mit mehreren Baumpflegerinnen aus ganz Europa und mit unseren Verkäufer*innen gesprochen. Aus den Rückmeldungen ergab sich ein vielleicht nicht repräsentatives, aber sehr interessantes Bild. Die Probleme begrenzen sich auf einen kleinen Kreis von Produkten, die jedoch elementar sind. Dafür sind sie aber nicht unbedingt geschlechtsspezifisch und es ist bereits zu erkennen, dass die Hersteller in diesen Bereichen aufholen.
Sollte sicher und komfortabel sein: Arbeitskleidung
Die Anforderungen an die Kleidung in der kletternden Baumpflege sind hoch. Sicherheitsaspekte kollidieren mit Bequemlichkeit und Leichtigkeit, die beim Klettern notwendig sind. Zudem ist das Wetter bei einem Beruf im Freien ein wichtiger Faktor. Eine passende, leichte und gleichzeitig sichere Schnittschutzhose ist wichtig, um einen guten Job machen zu können. Hier mangelt es vor allem an kleinen Größen und Schnittformen, die die Vielfalt an (eben auch weiblichen) Körperformen abbilden. Schlabbernde, kneifende oder zu große Schnittschutzhosen sind ein sicherheitsrelevantes Manko. Arbeiten ohne Schnittschutzhose beim Einsatz der Motorsäge ist höchst gefährlich, manchmal aber aus der Not geboren.
Auch bei Handschuhen und Schnittschutzschuhen gibt es ähnliche Probleme mit fehlenden kleinen Größen – egal ob für Frauen oder Männer. Manche Frauen finden zudem klassische Hosenträger unbequem. Oft findet sich in der Praxis nach langem Suchen und Probieren ein halbwegs passendes Produkt, aber eine große Auswahl bleibt nicht. Die Passform dominiert die Suche, Funktionalität und Geschmack bleiben oft auf der Strecke. Bei nicht zu spezifischen Kleidungstücken wie Regensachen, Kletterhose oder Funktionswäsche bleibt oft nur der Blick in andere, größere Märkte. In den Bereichen Outdoor oder Sportklettern ist manch eine Baumpflegerin auf der Suche nach Arbeitskleidung fündig geworden. Derselbe Weg, den einst die Pioniere der kletternden Baumpflege gegangen sind.
Muss perfekt passen: Klettergurt
Der Klettergurt ist das zentrale Element eines jeden Klettersystems. Entsprechend wichtig sind Passform, Komfort und Funktionalität. Wie auch bei der Kleidung fehlt es oft an kleineren Größen für schmale und kleine Kletter*innen. Trotz vielfältiger Einstellungsmöglichkeiten und verschiedener Größen finden nicht alle Kletter*innen einen passenden Gurt. Problematisch ist dabei nicht immer nur die Größe, sondern auch die Funktionalität. Der Gurt passt gerade noch, aber die D-Ringe sind zu weit vorne, was eine optimale und sichere Positionierung im Baum fast unmöglich macht. Oder einzelne Teile des Gurtes drücken und zwicken den ganzen Tag unangenehm.
Darf nicht rutschen: Helm
Gibt es bei Helmen z. B. ein Erweiterungsset wie beim Protos® Integral für große Köpfe, fehlen die Optionen nach unten. Auch hier bietet der Blick in den Sportkletterbereich für manche*n Kletter*in eine Lösung. Problematisch wird es bei Motorsägenhelmen. Denn hier sitzt bei kleinen Köpfen u. a. der Gehörschutz nicht mehr optimal. Ein weiteres Problem sind lange Haare, die nicht immer ohne unangenehmes Drücken unter den Helm passen. Bei einigen Helmen gibt es, beabsichtigt oder nicht, entsprechende Aussparungen für einen normalen Zopf o. ä., beim Rest bleibt nichts anderes übrig, als die Haare zu flechten.
Muss gut von der Hand gehen: Hardware
Die Auswahl an Hardware fürs Baumklettern ist mittlerweile enorm und damit finden auch die meisten Kletter*innen genügend Tools, um sicher und nach ihren Ansprüchen ergonomisch zu klettern. Ein wenig Sorgen bereiten Karabiner, bei denen Größen für kleine Hände fehlen. Die Bedienung fällt dann oftmals schwerer und läuft nicht intuitiv. Der Wunsch nach allgemein leichterer und kompakterer Ausrüstung vom Seil bis zu den Klettergeräten dürfte allgemein für die meisten Kletter*innen gelten. Jedes Gramm Gewicht weniger beim Klettern erleichtert den Arbeitsalltag.
Ausblick auf zukünftige Ausrüstung für Frauen in der Baumpflege
Wer professionell arbeiten möchte, benötigt ausgezeichneten Equipment, das perfekt passt – ohne viel Kompromisse und unabhängig von den körperlichen Voraussetzungen. In den letzten Jahren hat sich dabei in der Baumpflege und Seilklettertechnik viel getan. Eine breite Anzahl an Herstellern bietet ein wachsendes Sortiment an Equipment und Größen an. Zahlreiche Einstellungsoptionen ermöglichen einem breiten Spektrum an Baumkletter*innen, das passende Equipment für den Job zu finden. Dennoch bleiben – unabhängig vom Geschlecht – Lücken im System und nicht jeder wird in dem Maße fündig, in dem es notwendig und wünschenswert wäre. Gerade bei sicherheitsrelevanter PSA ist dies ein Missstand, der mit dem gleichen Engagement wie vor 20 Jahren angegangen werden sollte.
Hier sind alle aufgefordert, mitzuarbeiten. Die Kund*innen, denen etwas fehlt, sollten offensiv an Händler herantreten und sich Gehör verschaffen. Die Händler haben den breiten Kontakt zu den Kund*innen und können die Hersteller auf fehlende Größen hinweisen. Oft gibt es die kleineren Größen auch auf Anfrage beim Händler. Letztendlich müssen dann aber auch die Hersteller die Anregungen aus der Praxis umsetzen und den Mut haben, neue Wege zu gehen. Pionier*innen, die etwas gewagt haben und als Vorbilder dienen können, gab es in der Branche bereits einige. Es ist Zeit, an diese Tradition anzuknüpfen und gemeinsam als Baumpflege-Community für alle gleiche Voraussetzungen zu schaffen.
1 geschätzt auf Grundlage von Freeworker-Kundeninformationen
Weitere Artikel auf dem Freeworker-Blog
- Sicherungsgeräte beim Baumklettern: Ja, was denn nun?!
- Baumklettergurt: Sicherheit an erster Stelle
- Kletterhelme: Was gilt es zu beachten?
Mein Onkel ist derzeit auf der Suche nach einer Firma für Baumpflege. Dabei ist es gut zu wissen, dass Frauen in diesem Beruf in der Minderheit sind. Ich hoffe, dass er einen passenden Anbieter finden wird.
Hallo Dennis, wir sind zwar unsicher was genau du uns mitteilen möchtest, aber für eine Firma in der Baumpflege können wir dir das Baumpflegeportal (https://www.baumpflegeportal.de) empfehlen.
Grüße, dein Freeworker Team
Schnitzfeste Handschuhe sind eine der wichtigsten Dinge. Ein Baumpfleger oder eine Baumpflegerin braucht unbedingt ausreichende Schutzkleidung. Anders sollte man nicht arbeiten dürfen.
Dem stimmen wir absolut zu. Safety first. Always!
Ich habe auf der Suche nach einem passenden Kletterhelm im Lauf der Jahre so ziemlich alles probiert, was es gibt. Entweder rutscht er beim nach oben schauen in den Nacken ( Kask) und im Sommer gibts Hitzestau.Mein jetziger Helm ist toll leicht und luftdurchlässig, löst sich aber immer wieder und rutscht ins Gesicht (Edelrid Salathe), also habe ich die Fixirriemchen modifiziert.. Mein früherer Petzl saß dauernd schief …
Beim Protos kann man den starken Gehörschutz nicht wegklappen und die integrierte Brille saß nie da, wo.die Augen sind, aber jetzt ist sie eh abgebrochen… Irgendwie geht es schon, aber optimal ist die Situation nicht.
Vermutlich geht das aber vielen Leuten so, die keinen „Normkopf“ haben..
Absolut wichtig hier auf die Sicherheit zu achten. Ohne Arbeitssicherheit kann so viel schief gehen. Die Mitarbeitenden sollen ein gutes Gefühl haben, wenn sie auf Bäume klettern.